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Medikamenten-induzierter Kopfschmerz (MIKS)

Definition
Medikamenten-induzierter Kopfschmerz (MIKS)) ist ein chronischer Kopfschmerz, der infolge einer regelmäßigen (> 15 Tage pro Monat, > als 3 Monate) Schmerzmittel-Einnahme entsteht und nach einer Entzugsbehandlung sich komplett zurückbildet.

In Österreich ist besonders der Ergotamin-induzierte Dauerkopfschmerz nach wie vor ein vorherrschendes medizinisches und auch gesundheitspolitisches Problem.

Die genetische Disposition scheint eine Rolle zu spielen, da nur die Patienten mit Migräne und Spannungskopfschmerz (aber nicht die Patienten mit anderen Schmerzen wie z. B. rheumatoider Arthritis) im Falle eines Medikamentenmissbrauchs einen MIKS entwickeln.

– Viele Kopfschmerzmittel enthalten psychotrope Substanzen wie Koffein und Kodein oder Opioide, die zu einer Abhängigkeit führen können.
– Ein weiterer, den Medikamentenmissbrauch fördernden Faktor ist der Entzugskopfschmerz selbst. Jedes Mal, wenn der Patient von sich aus die Schmerzmitteleinnahme zu reduzieren oder abzusetzen versucht, erlebt er eine wesentliche Verschlechterung des Kopfschmerzes, was den Patienten zwingt, den Medikamentenmissbrauch fortzusetzen.

Organische Spätfolgen
– Ergotismus
– Nierenschäden
– Rezidivierende Magen-, Duodenalulzera
– Erhöhte Mortalität durch Tumoren der ableitenden Harnwege

– ausführliche Anamnese
– Kopfschmerztagebuch, Medikamentenanamnese !!!!

– Typischerweise entwickeln die Patienten mit einem Analgetika-Missbrauch einen diffusen holokraniellen dumpf-drückenden Kopfschmerz ohne vegetative Begleiterscheinungen.
– Patienten mit Ergotamin-Missbrauch dagegen häufig einen pulsierenden klopfenden Kopfschmerz, teilweise in Verbindung mit Übelkeit.

– In neueren Studien wurden neuartige, für den Triptan-induzierten Kopfschmerz spezifische Merkmale festgestellt. Im Gegensatz zu Analgetika erzeugten "Triptane" (Sumatriptan, Naratriptan, Zolmitriptan, Rizatriptan) keinen spannungskopfschmerzartigen, sondern einen täglichen, migräneartigen Dauerkopfschmerz, und bei ca. 20% der Patienten eine Zunahme der Migräneattackenfrequenz. Ferner war die kritische Einnahmedauer am kürzesten für die Triptane, länger für Ergotamin und am längsten für Analgetika. Ebenfalls war die kritische Einnahmenmenge am geringsten für Triptane, höher für Ergotamine und am höchsten für Analgetika.

– Es gibt außer der sorgfältigen Anamnese keine spezifische Zusatzdiagnostik.
– Kopfschmerztagebuch!
– Kopfschmerzen anderer Genese

– Therapie der Wahl ist der Entzug der missbrauchten Substanzen.
– Ein stationärer Entzug ist notwendig, wenn der MIKS langjährig besteht, psychotrope Substanzen oder kodeinhaltige Analgetika gebraucht wurden, der Patient schon erfolglose Selbstentzüge versucht hat, eine Depression vorliegt oder die Familienverhältnisse wenig unterstützend anmuten.
– In der Regel steigt die Intensität des Entzugskopfschmerzes in den ersten Tagen nach dem Entzugsbeginn an, um sich dann wieder am 6. bis 8. Tag zu normalisieren.
– Interessanterweise erleben die Triptan-Patienten einen leichteren und kürzeren Entzug als die Patienten mit einem Analgetika- oder Ergotamin-Entzug.
– Ca. 30-40% aller Patienten werden trotz erfolgreicher Entzugsbehandlung wieder rückfällig. Als Prädiktoren für den Rückfall konnten Spannungskopfschmerz als primärer Kopfschmerz sowie der Missbrauch von Kombinationspräparaten nachgewiesen werden.
– In neueren Studien zeigten die Patienten mit Triptan-Missbrauch eine deutlich bessere Langzeitprognose im Vergleich zu Patienten mit einem Analgetika- bzw. Ergotamin-Missbrauch.
– Möglichst früh in der Entzugsbehandlung sollte eine medikamentöse Prophylaxe des primären Kopfschmerzes (Migräne oder Spannungskopfschmerz) eingeleitet werden.
– Nach dem Entzug sollte der Patient ein Kopfschmerztagebuch führen und seine Medikamenteneinnahme kontrollieren.
– Die Anzahl der Einnahmedosen sollte für jegliche Schmerzmittel 10-12 pro Monat nicht überschreiten.
- zu der medikamenösen Prophylaxe werden auch Topiramat (Diener et al 2007) und Onabotulinum A (Dodick et al 2010 , Diener 2010 ) angeführt

Ergänzende Methoden:

Nach Abklingen der Entzugssymptomatik hat sich Verhaltenstherapie mit Stressbewältigung und Entspannungstechniken bewährt.

Dr. Ch. Lampl,
Neurologisch-psychiatrische Abt., AKH Linz

Dr. Y. Al-Qassab
ZISOP, Klinikum Klagenfurt