Schmerzbilder nach Alphabet

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Schmerztherapie bei Notfällen

Traumatische Ursachen:

Verbrennungsschmerz
Wie bei polytraumatisierten Patienten besteht manchmal auch bei schweren Verbrennungen ein schmerzfreies Intervall. Insbesondere ausgedehnte zweitgradige Brandverletzungen verursachen stärkste Schmerzen. Für die Analgesie hat sich die intravenöse Gabe von Opioiden (Morphin, Pethidin) oder Ketamin in Kombination mit Benzodiazepinen (Diazepam, Midazolam) bewährt.

Frakturschmerz, Wundschmerz
Eine adäquate Analgesie ist bei jedem Traumapatienten obligater Bestandteil der prähospitalen Therapie. Der Frakturschmerz führt über eine vasomotorische Dysregulation zu einer Verstärkung der Symptomatik des Volumenmangels, deshalb ist vor sämtlichen nachfolgenden Maßnahmen eine ausreichende Schmerzbekämpfung mit zentralwirksamen Analgetika, am häufigsten mit Opioiden (74,6%) oder Ketamin (23,8%) erforderlich.

Medizinische Ursachen:

Kardiologisch bedingte Schmerzen
Schmerzen bei Verdacht auf Myocardinfarkt erfordern die sofortige Behandlung, u.U. auch vor Registrierung des ersten EKG. Da Schmerzen den myokardialen Sauerstoffbedarf erhöhen, ist ihre Beseitigung auch ein kausales Behandlungsprinzip. Zunächst ist je nach Blutdruck die Gabe von 0,4 bis 0,8 mg Glyceroltrinitrat als Spray oder als Zerbeißkapsel sublingual indiziert. Die Dosis kann unter Blutdruckkontrolle in Abständen von wenigen Minuten bei Bedarf mehrfach wiederholt werden. Nitropräparate (u.U. intravenös bis 6 mg/h) sind besonders sinnvoll für Patienten mit akuter linksventrikulärer Insuffizienz. Bei systolischen Blutdruckwerten unter 90 mmHg sind Nitropräparate kontraindiziert, vor allem bei gleichzeitiger Bradykardie: bei höhergradiger SA- oder AV-Blockierung kann die reaktive Kompensationsmöglichkeit über eine Frequenzsteigerung fehlen. Bei nitrorefraktärem Schmerz sind Opioide, vor allem Morphin in wiederholten Einzeldosen von 3–5 mg i.v. in Abständen von einigen Minuten bis zur weitgehenden Schmerzfreiheit indiziert. Kurz anhaltende Übelkeit nach Injektion ist eine typische Nebenwirkung von Morphin. Intramuskuläre Injektionen sind grundsätzlich zu unterlassen.

Urologisch bedingte Schmerzen
Die Therapie des Steinleidens verläuft in zwei Schritten: die akute Behandlung und die nachfolgende Steinentfernung. Da die Kolikschmerzen zu den stärksten Schmerzen überhaupt gehören, ist die Schmerzbeseitigung das oberste Prinzip. Dabei werden Medikamente verwendet, die einerseits den Schmerz lindern. Die Parasympatholytika, z. B. der Wirkstoff Hyoscinbutylbromid, zur Entspannung der glatten Muskulatur sollten nur bei intramuralen (in die Blasenwand eingewachsene) Steinen angewandt werden, wenn gleichzeitig eine Pollakisurie (häufige Entleerung kleiner Harnmengen) und Dysurie (unangenehme, erschwerte oder schmerzhafte Blasenentleerung) vorliegt. Sie haben auf die Wandspannung des Harnleiters keinen Einfluss und sollten deshalb bei Steinen im oberen Bereich des Harntraktes nicht zur Anwendung kommen. Zur Schmerztherapie werden in der Regel schmerzstillende und entzündungshemmende NSAR wie Diclofenac eingesetzt. Als Reservewirkstoff kommen Metamizol oder Paracetamol in Frage. Bei extremen, nicht beherrschbaren Schmerzen kann zusätzlich ein Opioid gespritzt werden.

Gastroenterologisch bedingte Schmerzen
Kolikartige Schmerzattacken sind typisch für Beschwerden, die durch Gallensteine ausgelöst werden und zu einer akuten Entzündung der Gallenblase führen können. Starke Schmerzen im rechten Oberbauch, Fieber und Schüttelfrost sind Zeichen einer solchen Entzündung. Butylscopolamin und ev. zusätzlich NSAR sind zur Spasmolyse und Schmerzbehandlung bei Koliken gut geeignet. Opiate sind wegen der spasmogenen Wirkung auf die Gallengänge hier weniger geeignet.

Differentialdiagnose:
Perforiertes Ulkus, retrozökale Appendizitis, Ileus, akute Pankreatitis, Myokardinfarkt, Aortenaneurysmen.

Schmerztherapie bei Notfällen

Allgemeine Grundsätze
In der Notfallerstversorgung sind Schmerzen grundsätzlich zu behandeln. Es gilt als obsolet, den Schmerz als „diagnostisches Hilfsmittel“ bis in die Klinik zu erhalten. Grundsätzlich sollte die Analgesie i.v. und nach Wirkung durchgeführt werden, daher ist eine eingehende Kenntnis des Analgetikums unabdingbar.

Opioide:
Opioide unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz, über die Anwendung ist eine Buchführung anzulegen.

  • Fentanyl:
    – Suffiziente Analgesie schwerer Schmerzzustände beim intubierten Patienten.
    – Dosierung zur Narkoseeinleitung: 1,5-5 ug/kgKG (Intubation muss sicher möglich sein!!)
    – Repetitionsdosis: 1 - 3 ug/kgKG
    – Analgesie: 0,5-1,5 ug/kgKG (Voraussetzung = sicherer Atemwegszugang!)
    CAVE: Ausgeprägte Atemdepression, Übelkeit und Erbrechen.
  • Morphin:
    – wird wegen seiner sedierenden und euphorisierenden Eigenschaft besonders zur Schmerzbehandlung internistischer Patienten eingesetzt.
    – Die Halbwertszeit ist gegenüber Fentanyl deutlich länger.
    – Es gibt außerdem Hinweise auf eine pulmonalvasculäre Entlastung, daher ist es auch im Rahmen der akuten Lungenstauung geeignet.
    – Dosierung: 2,5 - 15 mg fraktioniert (0,05 – 0,15 mg/kgKG)
    CAVE: Atemdepression, Übelkeit und Erbrechen.
    – Kein Einsatz bei Koliken.
  • Piritramid:
    – wird wegen seiner geringer ausgeprägten Ateminsuffizienz häufig zur Schmerztherapie bei Traumapatienten eingesetzt.
    – Dosierung: 5-30 mg fraktioniert nach Wirkung
    CAVE: Ausgeprägte Atemdepression, Übelkeit und Erbrechen.

    (S)- Ketamin:
    – Potentes Analgetikum, in höherer Dosis narkoseinduzierend mit positiv inotroper Nebenwirkung (HZV -Steigerung).
    – Nur geringe Atemdepression bei analgetischer Dosierung.
    – Schutzreflexe weniger beeinflusst als bei anderen Analgetika.
    – Außerdem bronchodilatatorische Wirkung.
    – Daher besonders geeignet bei: Trauma (Ausnahme Schädel-Hirn-Trauma), Verbrennung, Eingeklemmten Patienten, Analgesie bei Kindern.
    – Dosierung:Analgesie: 0,25 – 0,5 mg/kgKGNarkose: 0,5 - 1 mg/kgKG
    CAVE: Manifeste Herzinsuffizienz, KHK, Aorten- und Mitralstenose, Hypertonie, Hyperthyreose, Phäochromocytom, Hirndruck, perf. Augenverletzung, psychiatrische Erkrankung, Eklampsie, Epilepsie.
    – Wegen Hypersalivation Kombination mit Atropin sinnvoll.
    – Wegen psychomimetischer Nebenwirkung immer Kombination mit Benzodiazepinen.
    – Beachte die Neuerung bei Ketamin S+ (geändertes Wirkprofil, geringere Dosierung !!)

    Butylscopolamin:
    – Zur Spasmolyse bei Koliken (Ausnahme Nierenkolik!) gut geeignet.
    – Dosierung : 10 - 20 mg langsam i.v. (Erwachsene)
    CAVE: Parasympathikolyse

    Präparate zur Schmerztherapie bei Notfällen
    Opioide: Piritramid, Fentanyl, Morphin , Pethidin
    – Ketamin
    – Butylscopolamin
    NSAR (Diclofenac, etc.)
    – Metamizol
    – Paracetamol

Dr. W. Scherzer
Unfallkrankenhaus Meidling der AUVA, Anästhesie- und Intensivabteilung