Persistierende Schmerzen nach Bandscheiben-OP
Synonyme
Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte wurden im Bemühen um eine Verbesserung des Behandlungsergebnisses der Bandscheibenchirurgie zahlreiche Modifikationen der Operationstechnik und auch zahlreiche perkutane interventionelle Alternativen zur Operation versucht bzw. bleibend etabliert.
Gleichzeitig erfolgte in den letzten Jahrzehnten ein radikaler Wandel in der bildgebenden Diagnostik des Bandscheibenvorfalles. Die Myelographie wurde in den beginnenden Achtzigerjahren mit komplikationsarmen wasserlöslichen, nichtionischen jodhältigen Kontrastmitteln durchgeführt und in den darauffolgenden Jahren von der Methode der axialen Computertomographie weitestgehend abgelöst. Die Magnetresonanztomographie, mit der Schnittbilder in allen beliebigen Ebenen angefertigt werden können und darüber hinaus durch unterschiedlichste Anregungsverfahren größere Gewebsdifferenzierungs-Möglichkeiten gegeben sind, stellt heute für die exakte Diagnostik des Bandscheibenvorfalles die gewünschte Standarduntersuchung dar.
Durch die prompte Verfügbarkeit von CT und MRT kann der Patient frühzeitig einer notwendigen Operation zugeführt werden, was als ein Faktor für die steigende Zahl an Bandscheibenoperationen sein mag.
Was mögen bei entscheidend verbesserter Diagnose- und Operationsmöglichkeit die Ursachen für das nach wie vor gegebene Auftreten eines Postdiskektomiesyndromes (PDS) sein?
Gar nicht selten wird durch die moderne Bildgebung ein Bandscheibenvorfall entdeckt, welcher sich klinisch als „stumm“ erweist und gelegentlich findet sich bei einer radikulären Symptomatik ein Bandscheibenvorfall auf der mit der Klinik nicht korrespondierenden Seite.
Als Ursache für eine derartige radikuläre Symptomatik ist eine Radikulitis oder Radikulopathie anzunehmen. Solch eine Ursache kann auch bei Koinzidenz von Klinik und Bildgebung vorliegen, was oft nicht bedacht wird und weswegen oftmals auf eine extensivere konservative Therapie verzichtet wird.
Ursachen eines PDS können somit aus einer voreilig oder schlecht gestellten Operationsindikation oder aus einer ungenügenden Beseitigung der die Symptomatik auslösenden Wirbelsäulenpathologie resultieren.
Weitere Ursachen können aus Komplikationen bzw. aus mehr oder weniger unvorhersehbaren Folgen der Operation selbst entstehen. Anzuführen sind
– das Bandscheibenrezidiv,
– eine konsekutive Foramenstenose,
– eine konsekutive Instabilität mit Wirbelgleiten,
– eine Diszitis, Spondylitis oder Spondylodiszitis,
– eine mehr oder weniger ausgeprägte epidurale Fibrose, Arachnoiditis, Arachnopathie, Radikulopathie,
– ein komplex regionales Schmerzsyndrom (CRPS) oder
– eine Pseudomeningocele.
Als Spätfolgen von Bandscheibenoperationen sind symptomatische Wirbelkanalstenosen und Wirbelsäuleninstabilitäten (Wirbelgleiten) aufzulisten.
– Die Bedeutung der Bildgebung zur Aufdeckung von Ursachen für das Persistieren von Beschwerden nach Bandscheibenoperationen sollte nicht überschätzt werden, allerdings kann damit eine für den Patienten und Behandler wichtige Ausschlussdiagnostik erzielt werden.
– Einzig eine Verdickung der Nervenwurzel mit Kontrastaufnahme, welche noch drei bis sechs Monate nach der Operation nachweisbar ist, kann als prognostischer Marker für die Entwicklung eines PDS herangezogen werden.
– Häufig werden bei einem PDS bewegungsabhängige Schmerzen im Bereich der Lumbalregion angegeben, welche zum Teil durch eine Instabilität bedingt sind, jedoch oft auch durch eine Irritation der Fazettgelenke verursacht sein können.
– Etwa in gleichem Ausmaß werden beim PDS persistierende, radikulär ausstrahlende Schmerzen als das führende Symptom angeführt.
– Diese Schmerzen nehmen beim Gehen und Stehen deutlich an Intensität zu und vielfach wird bildgebend eine korrespondierende epidurale Fibrose von mehr oder weniger deutlichem Ausmaß registriert.
– Oft sind bei diesen Beschwerden zusätzliche Zeichen einer Mitbeteiligung des sympathischen Nervensystems (nächtliche Wadenkrämpfe, ein unangenehmes Kältegefühl oder erkennbaren trophische Veränderungen auf der symptomatischen Seite) zu beobachten.
– All diese oben angeführten Ursachen, Auslöser und Faktoren wirken oft in Summe zusammen und gestalten das PDS, was den Betroffenen nicht selten in die Arbeitsunfähigkeit oder in einen schwer korrigierbaren Zustand von Berentungswunsch und permanenter Suche nach ärztlichen Interventionen versetzt.
– Dabei sind bereits mehr oder weniger schwerwiegende psychosoziale Mechanismen in Gang gesetzt, deren Korrektur nur noch durch einen „multidiziplinären Approach“ in einem längerfristigen Rehabilitationsprogramm möglich ist.
– Die Häufigkeit des Auftretens eines PDS und die Ausprägung eines PDS werden in der Literatur unterschiedlichst dargestellt.
Sofern keine sehr klare Indikation zu einer Reoperation gegeben ist, sollte man sich bei persistierenden Schmerzen nach Bandscheibenoperation vorerst auf möglichst einfache und schonende Therapieverfahren beschränken, wie
– die TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation)
– die stabilisierende Wirbelsäulengymnastik
– die Triggerpunktinfiltrationen mit Lokalanästhetika
– die SCS/Neuromodulation mit Neurostimulation
– die intermittierende Gabe von NSAR und Myotonolytika
Beim persistierenden Kreuzschmerz im Sinne eines postoperativen Fazettensyndroms ohne laborchemische und bildgebende Anhaltspunkte für eine Diszitis, Spondylitis oder Spondylodiszitis wäre als nächster Behandlungsschritt eine bildgebend unterstützte Fazettgelenksinfiltration und bei eindeutigem Ansprechen wäre die Radiofrequenzdenervierung der betroffenen Fazettgelenke angezeigt.
Bei persistierenden radikulären Schmerzen sollten gezielte CT-assistierte Wurzelblockaden durchgeführt werden.
Liegen anamnestische und klinische Hinweise für eine sympathikusmediierte Schmerzsymptomatik vor, wäre eine CT-assistierte Sympathikusblockade und bei kurzfristiger Besserung und Wiederauftreten der Beschwerden nach Tagen die Radiofrequenzdenervierung des sympathischen Grenzstranges indiziert.
Eine weitere therapeutische Möglichkeit bei persistierender Lumbosakralgie, persistierenden radikulären Schmerzen und Zeichen einer Sympathikushyperaktivität stellt die epidurale spinale Elektrostimulation (ESES) dar.
Persistierende monoradikuläre Schmerzen können durch die permanente Elektrostimulation der Nervenwurzeln (nerve root stimulation, NRS) günstig beeinflusst werden, die Elektrodenplazierung im Neuroforamen kann allerdings durch eine massive epidurale Narbenplatte verunmöglicht werden.
Die Epiduroskopie zur Adhäsiolyse stellt ein weiteres, durchaus erfolgversprechend Verfahren zur Schmerztherapie bei postoperativen epiduralen Verklebungen (Arachnopathie, Arachnitis, epidurale Fibrose) dar.
Berthold Kepplinger,
1 Neurologie - Schmerztherapie, Ostarrichiklinikum Mauer, Amstetten;
2 Neurologie - Klinikum Mostviertel, Amstetten
e-mail: berthold.kepplinger@ostarrichiklinikum.at