Osteoporose
Unter Osteoporose (Knochenschwund) versteht man eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse und eine gestörte Mikorarchitektur des Knochens gekennzeichnet ist. Die Folge ist eine Verminderung der Knochenstabilität/Knochenstärke und damit einhergehend eine erhöhte Gefährdung bezüglich Knochenbrüchen.
Häufigkeit:
Die Häufigkeit von Osteoporose nimmt aktuell ständig zu. Dies ist insbesondere bedingt durch die zunehmende Zahl von Frauen nach dem Wechsel (Menopause). Nach Schätzungen sind in Europa, Nordamerika und Japan etwa 75 Millionen Menschen von Osteoporose betroffen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer und die Häufigkeit von Osteoporose nimmt mit dem Alter zu. Etwa ein Drittel aller Frauen über 60 Jahre ist betroffen, bei den über 70ig-Jährigen leiden etwa 50% an Osteoporose.
Osteoporose wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eine von den zehn wichtigsten Erkrankungen genannt.
Pathophysiologie
Das Skelett unterliegt das gesamte Leben einem ständigen Umbau, der die Knochen den aktuellen Belastungen anpaßt. Knochenanbau und Knochenabbau stehen hierbei in einem Gleichgewicht. Das Skelett wird etwa bis zum 30.-40. Lebensjahr zu einer maximalen Stärke (peak bone mass) aufgebaut, danach ist das Gleichgewicht zwischen Knochenanbau und Knochenabbau zu Gunsten des Knochenabbaus verschoben und es kommt zu einem langsamen, beständigen Abbau. Dies ist ein natürlicher Prozeß des Alterns. Neben den Knochenmasseverlust kommt es auch zu einer Störung der Mikorarchitektur des Knochens. Die Folge ist eine erhöhte Brüchigkeit der Knochen (siehe auch Definition Osteoporose). Bestimmte Lebensumstände (z.B. Eintritt in die Menopause) oder Erkrankungen können zu verstärktem Knochenabbau führen. Im hohen Alter ergibt sich auch ohne spezielle Erkrankungen eine Osteoporose als Ergebnis eines langjährigen, normalen (physiologischen) Knochenverlusts.
Klinik
Der Knochenverlust geht anfänglich ohne Beschwerden einher, jedoch nimmt die Stabilität der Knochen zunehmend ab, die Gefährdung gegenüber Knochenbrüchen (Frakturen) nimmt dagegen beständig zu. Eine Osteoporose im Anfangsstadium zeigt in der Regel jedoch keine sichtbaren körperlichen Veränderungen.
Bei fortgeschrittener Osteoporose haben die Betroffenen eine zunehmend verstärkte Krümmung der Brustwirbelsäule (Kyphose) mit dadurch bedingter Vorwartsneigung des Oberkörpers. Bei einem Größenverlust von zumindest 3-4cm ist eine schon vorliegende Wirbelkörperfraktur wahrscheinlich.
Ubersicht von körperlichen Veränderungen bei Osteoporose
• Verstärkung der Krummung der Brustwirbelsaule (Kyphose)
• Größenverlust
• Scheinbar verlängerte Arme
• Bauch vorgewölbt
• Tannenbaumphanomen (Hautfalten ausgehend von der Wirbelsäule)
• Rückenschmerzen
Neben der verminderten Körpergröße mit zunehmender Bewegungseinschränkung, sind auch ein eingeschränktes Gesichtsfeld, verminderte Lungenfunktion, Unsicherheit beim Gehen und erhöhte Sturzgefährdung alleine durch die Vorwärtsneigung des Oberkörpers unmittelbare Folgen.
Diese Veränderungen an der Wirbelsäule können ohne als auch mit chronischen Schmerzen einhergehen. Heftige, akute Schmerzen treten bei Frakturen auf. Die chronischen als auch akuten Schmerzen vermindern nicht nur die Beweglichkeit und körperliche Belastbarkeit, sondern stellen auch eine emotionale, psychische Belastung dar. Immobilität mit Vereinsamung, Depression, zunehmende Abhängigkeit bis hin zur Pflegebedürftigkeit können weitere Folgen sein.
Neben den zum Rundrücken führenden Wirbelkörperfrakturen stellt jedoch die Schenkelhalsfraktur die schwerwiegendste Folge von Osteoporose dar. Etwa 20% der Betroffenen versterben im ersten Jahr nach der Schenkelhalsfraktur, großteils durch postoperative Komplikationen (Pneumonie, Lungenembolie, Thrombose). Etwa 30% bleiben nachfolgend behindert oder benötigen eine Pflegebetreuung. Nur etwa 50% erlangen die gleiche Selbstständigkeit zurück wie vor dem Frakturereignis.
Symptome
Akute Beschwerden
– Schmerzen; hervorgerufen durch Frakturen und Wirbelkörpereinbrüche, subperiostale Blutungen, Subluxation kleiner Wirbelgelenke und Fehlstellungen
Chronische Beschwerden
– Schmerzen wechselnder Intensität und Lokalisation
– Hyperkyphose, Gibbus, Hyperlordose, Größenabnahme, Aufsetzen der unteren Thoraxapertur auf den Beckenkamm, schräg abwärts verlaufende Hautfalten im Stammbereich ("Tannenbaumphänomen"). Hervorgerufen durch eine veränderter Statik mit Fehlbelastung von Gelenken, Muskeln und Bändern und Zusammensintern von Wirbelkörpern.
Komplikationen
– Häufigste Fraktur distale Radiusfraktur;
– cirka 50.000 Schenkelhalsfrakturen/Jahr,
– nach erster Wirbelfraktur bei Frauen weiteres Frakturrisiko 0,9/LJ.
– Bewegungseinschränkung, Rollstuhlbedürftigkeit, Invalidisierung, starke Schmerzen, erhöhte Mortalität
– postmenopausal oder vorzeitig durch Ovariektomie
– lange Phasen der Amenorrhoe
– später Eintritt in die Pubertät
– Nulliparität
Östradiol unterdrückt die IL-6 Bildung und damit die Knochenresorption. Östrogene eignen sich daher bevorzugt zur Osteoporoseprophylaxe. Je früher der Eintritt in die Postmenopause erfolgt, desto höher das Osteoporoserisiko.
Andere Faktoren:
– Alimentärer Kalziummangel (wenig Milchprodukte)
– Rauchen- und Alkoholgenuss
– konstitutionelle Faktoren (Kleinwüchsigkeit, graziler Körperbau, weiße Rasse ("caucasian"), pigmentarmer Phänotyp)
– hereditäre Belastung
– chronische Hungerzustände und Malnutrition im jugendlichen und Erwachsenenalter
– Dialyse
– Anorexia nervosa
– längerdauernde Immobilisation
• Anamnese und Erfassung von Risikofaktoren, Ursachen
• Körperliche Untersuchung
• Osteodensitometrie
• Röntgen
• Labor
Ursachen und Risikofaktoren
In einem ausführlichen Gespräch, das die aktuellen Beschwerden als auch mögliche Risikofaktoren erhebt (Anamnese), kann der betreuende Arzt mögliche Ursachen einer Osteoporose beim Patienten erfassen.
Häufigste Ursache einer Osteoporose ist ein Östrogenmangel bei Frauen nach den Wechseljahren.
Es gibt jedoch eine Reihe weiterer Risikofaktoren und Ursachen fur die Entstehung einer Osteoporose. Kann eine spezielle Erkrankung, Medikamenteneinnahme oder spezielle Lebensumstände als Ursache fur eine Osteoporose erhoben werde, so wird diese Osteoporoseform als „sekundare Osteoporose“ bezeichnet.
Genetische Faktoren:
• weibliches Geschlecht
• Alter über 50 Jahre
• Verwandte ersten Grades mit Osteoporose
• Osteoporose-Typ (pigmentarme Haut, blond)
• niedriges Körpergewicht, Untergewicht
Vorerkrankungen:
• Hypogonadismus (Mangel von Sexualhormon)
• Hyperthyreose
• Chronische Polyarthritis
• Autoimmunerkrankungen
• Cushingsyndorm
• Lebercirrhose
• Niereninsuffizienz
• Nierensteine
• Magenresektion
• Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
• Chronische Diarrhoe
• Laktoseintoleranz
• Karzinom
• Eßstörungen mit Untergewicht (Anorexia nervosa, Bulamie)
• Organtransplantation
Lebenstil, Ernährung:
• vorangegangene Fraktur
• starkes Rauchen
• übermäßiger Konsum von Alkohol (> 2/4 Wein/Tag)
• Kalziumarme Diät (z.B. geringer Milchkonsum, wenig Milchprodukte)
• phosphatreiche Diät (z.B. übermäßiger Fleischkonsum, Cola)
• Wenig körperliche Betätigung
• Bettlägrigkeit über mehrer Monate
Medikamente:
• Cortison
• Zytostatika
• Immunsuppressiva
• Psychopharmaka
• Antiepileptika
• Antikoagulantien
• Schilddrüsenhormon
• Schleifendiuretika
Sexualanamnese:
• spätes Einsetzen der ersten Regelblutung (> 14 LJ.)
• Unregelmäßiger Zyklus
• Länger als ein Jahr keine Regelblutung ohne gleichzeitige Schwangerschaft
• Langes Stillen (> 6 Monate)
• Ovariektomie (Entfernung der Eierstöcke)
• frühzeitiges Ende der Regelblutungen (< 47 LJ.)
• Keine Hormontherapie nach der Menopause
Körperliche Untersuchung
Bei fortgeschrittener Osteoporose haben die Betroffenen eine zunehmend verstärkte Krümmung der Brustwirbelsäule (Kyphose) mit dadurch bedingter Vorwartsneigung des Oberkörpers. Die Arme erscheinen dadurch verlängert und der Bauch wird nach vorne gewölbt. Bei einem Größenverlust von zumindest 3-4cm ist eine schon vorliegende Wirbelkörperfraktur wahrscheinlich. Eine Osteoporose im Anfangsstadium zeigt in der Regel jedoch keine sichtbaren körperlichen Veränderungen.
Konventinelles Röntgen
Mit einem normalen Röntgenbild kann erst eine Knochendichteminderung von etwa 30%, was schon einer fortgeschrittenen Osteoporose entspricht, festgestellt werden. Eine frühzeitige Diagnoseerstellung ist daduch nicht möglich. Das Röntgen hat jedoch einen Stellenwert im Erkennen von begleitenden anderen Knochenerkrankungen, degenerativen Knochenveränderungen, Verkalkungen ausserhalb des Knochens (Beeinflussung der Messergebnisse der Knochendichtemessung), Formveränderungen der Knochen einschließlich der Erkennung von Knochenbrüchen.
Osteodensitometrie (Knochendichtemessung)
Die Knochendichtemessung stellt die wichtigste Untersuchung bei Osteoporose dar. Die Menge an mineralisiertem Knochen wird an der Lendenwirbelsäaule (L1 –L4) und am Schenkelhals gemessen. Die am Patienten erhobenen Meßwerte werden mit einer Kontrollgruppe verglichen. Mit dem T-Score wird ausgedrückt wie stark die Abweichung von einer etwa 30.-40 jährigen Kontrollgruppe gleichen Geschlechts ist. Damit wird die Abweichung zu jenem Lebensabschnitt gemessen in dem die höchste Knochendichte (peak bone mass) vorhanden ist. An Hand der Messung des T-Score wird unterschieden in „normal“, „Osteopenie“ und „Osteoporose“.
Normal
• Meßergebnisse weniger als – 1 Standardabweichung vom Mittelwert junger Erwachsener
Osteopenie
• Meßergebnis zwischen -1 und -2,5 Standardabweichungen vom Mittelwert junger Erwachsener
Osteporose
• Meßergebnis -2,5 Standardabweichungen oder mehr vom Mittelwert junger Erwachsener
Mit dem Z-Score wird das Meßsergebnis des Patienten mit einer gleichaltrigen Kontrollgrupppe gleichen Geschlechts verglichen. Der Z-Score zeigt somit um wieviel mehr Knochenverlust beim Betroffenen vorliegt als in der üblichen Bevölkerung gleichen Alters und Geschlechts.
- Quantitiative Computertomographie
- Die quantitiative Ultraschallmessung (QUS) ist in der Wertigkeit umstritten und stellt keine etablierte Methode fur Routineabklärungen dar.
Labor
Laboruntersuchungen stellen eine Ergänzung in der Osteoporosediagnostik dar und tragen zur Abklärung möglicher Ursachen, die zur Osteoporose führen können, mit bei. Auch die Stärke des Knochenumbaus kann damit festgestellt werden, dies ist jedoch nicht Bestandteil der Routineabklärung, sondern lediglich bei speziellen Fragestellungen angezeigt.
Laboruntersuchungen können die anderen Untersuchungsschritte zur Abklärung einer Osteoporose nicht ersetzen sondern lediglich ergänzen.
Weitere Untersuchungen
Bei speziellen Fragestellungen können auch z.B. eine Knochenbiopsie oder eine Knochenszintigraphie zur Diagnoseerstellung beitragen. Diese Untersuchungen sind jedoch speziellen Fragestellungen vorbehalten und nicht Teil einer Routineabklärung.
Ernährung
Eine kalziumreiche Ernährung ist zu empfehlen. Dies trifft insbesondere für Zeiten mit erhöhtem Kalziumbedarf zu (Wachstumsphase in der Kindheit und Jugend, Schwangerschaft, erste Jahre nach Menopause, höheres Alter).
Da etwa 20 Prozent der Bevölkerung in Mitteleuropa eine Milchunverträglichkeit (Laktoseintoleranz) haben, ist eine unkritische Kalziumzufuhr über Milchprodukte nicht immer angezeigt. Vor allem bei bekannter Abneigung gegenüber Milchprodukten und/oder Beschwerden nach Zufuhr von Milchprodukten (Abdominalschmerzen, vermehrte Blähungen, Durchfälle) sollte auf Laktoseintoleranz ausgetestet werden bzw. eine Kalziumzufuhr über andere kalziumhaltige Lebensmittel und/oder über eine medikamentöse Zufuhr erfolgen.
Lebensstil
Ein gesunder Lebensstil hat einen präventiven Charakter betreffend Osteoporose.
• Regelmäßige körperliche Betätigung -
• kalziumreiche Ernährung
• Ausreichende Vitamin D Versorgung
• Nikotinkarenz
• kein übermäßiger Alkoholkonsum
Medikamentöse kausale Therapie
Die medikamentöse Therapie bei Osteoporose versucht das Gleichgewicht zwischen Knochenabbau und Knochenaufbau so zu verändern, daß sich eine positive Bilanz mit dadurch bedingter Verstärkung der Knochenstrukturen ergibt. Ziel ist es die Gefährdung von Frakturen zu mindern.
• Bisphosphonate
• Struntium-Ranelat
• Selektive Ostrogen Rezeptor Modulator (SERM)
• Parathormon (Teriparatid)
• Hormonersatztherapie
• Calcitonin
Neben den speziellen Medikamenten mit Einfluß auf den Knochenstoffwechsel ist eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D ebenfalls ein wichtiger Teil einer jeden Osteoporosebehandlung.
• Kalzium
• Vitamin D3
• monoklonale Antikörper Denosumab
Medikamentöse Schmerztherapie
Schmerzen sind ein wesentlicher und die Betreffenden teils sehr belastender Zustand be Osteoporose. Eine ausreichende Schmerztherapie, sofern erforderlich, sollte Teil einer jeden Osteoporosetherapie sein. Das Ziel muß die deutliche Schmerzminderung, Erhaltung der Mobilität und Belastbarkeit sowie die Erreichung einer akzeptablen Lebensqualität trotz Erkrankung sein. Therapie nach WHO-Stufenschema.
• Nichtopoide Analgetika
• Schwache Opoide
• Starke Opoide
Chirurgisch, orthopädische Maßnahmen
Stabilisierung, Minderung der Brustkrümmung
• Stützkorsett
Bei eingebrochenen Wirbelkörpern
• Vertebroplastie
• Kyphoplastie
Bei Brüchen an den Extremitäten
• Konservative Bruchversorgung mit Gips (z.B. Unterarmfraktur)
• Verplattung
• Nagelung
• Verschraubung
Weitere Maßnahmen
• Schuhe ohne hohe Absätze
• Schuhwerk mit rutschfester Sohle
• Gehhilfen (Stock, Rollator)
• Entfernung von „Sturzfallen“ insbesondere im Wohnbereich (Gegenständen, die einen Sturz begünstigen können (z.B. rutschende Teppiche, Stiegenbereiche ohne Haltevorrichtungen)
• Vermeiden vom Heben schwerer Gewichte
• Regelmäßige Augenkontrollen (verminderte Sehkraft = erhöhte Sturzgefährdung)
Kontrollen
Knochendichtemessungen (Osteodensitometrie):
Übliche Verlaufskontrollen erfolgen mittels Knochendichtemessungen. Ein Mindestabstand von einem Jahr zwischen den Knochendichtemessungen ist einzufordern, um meßtechnisch Veränderungen erkennen zu können. Eine Ausnahme besteht bei Patienten unter Cortisontherapie, wo auf Grund der hohen Osteoporosegefährdung unter Cortisontherapie Kontrollen in 6-monatigen Abständen, insbesondere bei höherer Cortisondosis, zu empfehlen sind.
Knochenstoffwechselparameter:
Laborparameter, die zur Erfassung des Knochenstoffwechsels verwendet werden (Knochenan- und Knochenabbaumarker), verändern sich rasch nach Therapiebeginn. Schon drei Monate nach Therapiebeginn kommt es zu messbaren Veränderungen der Knochenstoffwechselparameter. Dadurch kann kurzfristig das Ansprechen der Therapie überprüft werden.
Dr. P. Mikosch
2. Med. Abt., Klinikum Klagenfurt
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