Morbus Bechterew
Synonyme
Die Spondylitis ankylosans (Sp.a) ist eine chronische entzündlich – rheumatische Systemerkrankung, die sich vorzugsweise mit ankylosierenden und destruierenden Veränderungen am Achsenskelett, aber auch häufig mit peripheren Arthritiden, Enthesiopathien und seltener viszeralen Organbeteiligungen manifestiert.
Morbus Bechterew ist der Prototyp der Spondyloarthropathien (SPA) und weist innerhalb dieser Gruppe die höchste Prävalenz auf.
Prävalenz:
Die weltweite Prävalenz der AS liegt bei 0,1 und 1,4%, die der SPA
gesamt 0,4–2%.
Die Ration Männer: Frauen beträgt 5:1. Die Prävalenz der SPA geht parallel mit der Häufigkeit von HLA-B27. Etwa 95% der Patienten mit SPA sind HLA-B27-positiv.
Ursache:
Die Genese der SPA ist unklar und multifaktoriell.
Einteilung:
Spondyloarthritis (SpA) ist der Sammelbegriff für diese Gruppe der entzündlichen, rheumatischen Krankheiten:
Je nach der Dominanz der Manifestation unterscheidet man zwischen peripherer und axialer Spondyloarthritis. Morbus Bechterew (AS) ist die schwerste Verlaufsform der axialen SPA.
Patienten die unter einer prädominant peripheren Manifestation leiden, zeigen meistens asymmetrische Oligoarthritis der unteren Extremitäten (Knie, Hüfte) aber auch Enthesitis (Entzündung am Achillessehnenansatz und/oder Daktylitis (Finger oder Zehen).
Bei der SPA überwiegt jedoch die axiale SPA zu der auch Morbus Bechterew gehört und daher wird die periphere Form hier nicht im Mittelpunkt stehen.
Die Bezeichnung Morbus Bechterew wird im deutschen Sprachraum häufiger verwendet als die internationale Bezeichnung AS. Dennoch, beim Vorliegen einer axialen Spondyloarthritis spricht man – in der Leitlinie - von M. Bechterew erst dann, wenn strukturelle Läsionen in den Sakroiliacagelenken (SI-Gelenke ) vorhanden bzw. röntgenologisch sichtbar sind.
Mit der Einführung der Assessment of SpondyloArthritis International Society ASAS) Klassifikationskriterien ist die axiale SpA in:
- nicht-röntgenologische axiale SpA (nr-axSpA) und
- die klassische AS unterteilt worden.
Bei beiden Formen handelt es sich jedoch um ein Krankheitsbild!
Klinisches Bild
- Dumpfe, persistierende, tief sitzender Rückenschmerzen mit Zunahme in den frühen Morgenstunden, Besserung bei Bewegung, wechselnder Gesäßschmerzen
(rechts, links).
- Subjektives Steifigkeitsgefühl in der Wirbelsäule, manchmal periphere Gelenksschmerzen, Fersenschmerzen, Sehnenschmerzen in der Ferse.
- Im fortgeschrittenen Stadium Veränderung der Statik und Habitus mit Verstärkung der BWS-Kyphose und HWS –Lordose.
Klassifikation und Symptomatik laut ASAS- Kriterien (Assessment of Spondyloarthritis international Society):
Aktuell werden die ASAS-Klassifikationskriterien herangezogen:
• Präsenz von chronischen Rückenschmerzen ≥ 3 Monate
• Alter bei erstmaligen Auftreten von Symptomen < 45 Jahren
• Plötzlicher Beginn
• Verbesserung der Schmerzen bei Bewegung
• Keine Verbesserung der Schmerzen in Ruhe
• Schmerzen in der Nacht, die sich nach dem Aufstehen verbessern
Die axiale SpA tritt nicht selten mit Manifestation anderer
Organen auf wie die Arthritis der peripheren Gelenke, Enthesitis, vor allem der Insertionsstelle der Achillessehne, Uveitis, Daktylitis, Psoriasis, Morbus Crohn beziehungsweise Colitis ulcerosa.
Zusätzlich andere unspezifische Symptome wie Depressionen, Müdigkeit, Erschöpfungsgefühl und Abgeschlagenheit.
Bei schwerem Verlauf können auch seltene Komplikationen im Bereich des kardiovaskulären Systems der Lunge und der Nieren auftreten, wie z. B. Aortitis, Aortenklappeninsuffizienz, Kardiomyopathie, Lungenfibrose, Amyloidose, Glomerulonephritis.
ASAS - Kriterien für Axiale Spondyloarthritis
Es wird in dem Zusammenhang mit diesen Kriterien immer betont, dass diese Kriterien zur Klassifikation von Patienten dient und nicht für die Diagnosestellung
Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist sicherlich die Erfahrung bei der klinischen Untersuchung
Anamnese und Klinik : familiäre Häufung, chronische Rückenschmerzen > als 3 Monate, Ansprechen auf NSAR Therapie, Enthesitis, Uveitis, Periphere Arthritis, Anamnese einer peripheren Arthritis bei der klinischen Untersuchung.
Labor
- LA-B27 Gens weist eine gute Sensitivität (83 – 96%) und eine hohe Spezifität (90 – 96%).
- Laborentzündungszeichen: BSG bei 80% erhöht. ( bei 20-30% normale BSG !)
- CRP ist bei schweren Verläufen erhöht, Gammaglobulinerhöhung spricht für einen schweren Verlauf.
Bildgebende Verfahren:
Die Bildgebung ist bei AS ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik aber auch des Verlaufes und das Management dieser Krankheit.
Das bedeutende stellt die Veränderung im Ileosakralgelenk dar, Veränderungen sind aber auch an der Wirbelsäule und den Hüftgelenken zu finden.
- Die Röntgenuntersuchung der SI hat eine Sensitivität von ca. 35% und eine Spezifität zwischen 95 und 100%.
- Das MR kann aktive Entzündungsprozesse darstellen und ist in der Lage, Veränderungen im Gelenkspalt, subchondrale Sklerosierung und Erosionen früher darzustellen und so ermöglicht das MRT die Frühdiagnose der SpA.
Die Sensitivität des MRT liegt bei 66,2 %, die Spezifität bei 97,3 %.
Mechanisch unspezfischer Rückenschmerz
Diskusprolaps
degenerative Wirbelsäulenerkrankungen
Morbus Scheuermann
Skoliose (bei diesen Krankheitsbildern eher statisch bedingte Kreuzschmerzen nach längerem Stehen)
Metastasierung im Ileosacralgelenk (besonders bei Prostata- und Mammacarcinomen)
Infektiöse Sacroileitis durch Staphylococcen, Streptococcen und andere Keime
Sakroidose
Sakroileitis bei entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) bei Psoriasis
Die Therapie orientiert sich an der Entzündungsaktivität und am Stadium des Morbus Bechterew.
Als Maß für die Krankheitsaktivität wird häufig der BASDAI verwendet
(Bath Ankylosing Spondylitis DiseaseActivity Index).
Es handelt sich um einen Fragebogen für Patienten.
Therapieziele:
• Verlangsamung des entzündlichen Prozesses, Entgegenwirken der Versteifungstendenz der Wirbelsäule
• Schmerzbekämpfung
• Möglichst der Erhalt von Funktion und Kraft der Gelenke
• Physiotherapie (Krankengymnastik): Schwimmen Radfahren Waldlauf ,Volleyball
• Physikalische Therapie: Wärme- Kälteanwendungen, medizinische Bäder, Massage, Elektrotherapie, Ultraschall.
Medikamentöse Therapie:
NSAR mit dem Ziel schmerzfreie Bewegung zu ermöglichen!
Langfristig krankheitsmodifizierende Medikamente (disease modifying antirheumatic drugs „ DMARDs „): Sulfasalazin, Methotrexat bei ausgeprägtem peripheren Gelenksbefall .
Systemische Steroide zeigen beim Morbus Bechterew kaum Wirkung, hingegen kann bei akutem Befall von einem oder wenigen Gelenken eine intraartikuläre Injektion von Lokalanästhetika und Steroiden vorgenommen werden.
Bei unzureichendem Erfolg werden Radiosynoviorthese (RSO)und Chemosynoviorthese (CSO)eingesetzt,
TNF-alpha-Inhibitoren bei aktivem Morbus Bechterew. Laut Empfehlungen der ASAS (Assessments in Ankylosing Spondylitis)-Gruppe sollten TNF-alpha-Inhibitoren erst eingesetzt werden, wenn:
• Die Diagnose eines Morbus Bechterew bestätigt
• mindestens 4 Wochen ein BASDAI > 4 .
• mindestens zwei verschiedene nichtsteroidale Antirheumatika über drei Monate, ein intraartikulär injiziertes Steroid oder Sulfasalazin bei Patienten mit vorwiegend peripheren Gelenkentzündungen nicht den gewünschten Effekt zeigen
• bezüglich der Wirksamkeit von Thalidomid und Pamidronat müssen Studienergebnisse abgewartet werden.
Operative Therapie:
Gelenkflächenkorrigierende Operationen, gelenkresezierende Operationen, gelenkversteifende Eingriffe, gelenkersetzende Eingriffe sollten am besten interdisziplinär (Rheumatologie und orthopädischen Rheumatologie) besprochen werden.
Dr. Y. Al-Qassab
ZISOP, Klinikum Klagenfurt