Arten der Schmerzbehandlung

1-Elektrotherapie - Überblick

 

Bei chronischen Schmerzen müssen nicht immer Medikamente die alleinige Behandlung sein: Elektrotherapeutische Anwendungen sind sicher, haben schmerzlindernde Effekte und wirken gegen Muskelabbau. Eine breite Palette von Therapie-Optionen steht zur Verfügung –auch solche, die Patienten in den eigenen vier Wänden nutzen können, berichten Experten der Österreichischen Schmerzgesellschaft aus Anlass ihrer Schmerzwochen 2019.

Wien, Linz, 31. Jänner 2019 – Elektroimpulse helfen bei vielen Beschwerden – zum Beispiel zum Muskelaufbau nach längerer Immobilisierung bei Verletzungen, schweren Erkrankungen und Operationen oder gegen Schmerzen im Rücken und in den Gelenken. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von elektrotherapeutische Anwendungen, die Patienten daheim anwenden können. „Gerade bei chronischen Schmerzen ist es für Betroffene wichtig, auch selbst etwas zur Linderung ihrer Beschwerden beitragen zu können“, sagt Prim. Dr. Daniela Gattringer, Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖGS) und Leiterin der Abteilung für Physikalische Medizin am Ordensklinikum, Barmherzige Schwestern Linz anlässlich der 18. Österreichischen Schmerzwochen. „Medikamente sind dabei nicht die einzige Strategie. Heimbehandlungen sind vor allem bei längerfristigen oder chronischen Beschwerden eine wichtige Säule in der Schmerzbehandlung.“ Die nötigen Geräte gibt es, nach ärztlicher Verordnung, in bestimmten Fällen auch leihweise von der Krankenkasse.

Elektrostimulation belebt schlaff gelähmte Muskeln und verzögert Muskelabbau

Wie mit einer Untersuchung im Rahmen des EU-Wissenschaftsprojekts RISE belegt werden konnte, kann diese Therapieform vielfältig eingesetzt werden: „Funktionelle Elektrostimulation mit speziell entwickelten Stimulatoren und Elektroden ist eine Möglichkeit zur Behandlung schlaff gelähmter, denervierter Muskeln. Sie stellt eine sichere und wirksame Therapie dar und kann nach einer kurzen Einschulung in der Klinik auch daheim angewendet werden“, erklärt Prim. Gattringer.

Untersucht wurden für die Studie Muskelgewebsproben von Patienten mit Rückenmarksverletzungen sowie von körperlich aktiven und inaktiven Senioren. Das Ergebnis: Menschliche Muskelfibrillen, also jene Funktionseinheiten in der Muskelzelle, die für deren aktive Kontraktion sorgen, sind wahre Überlebenskünstler. Sie überdauern jahrelang, auch wenn sie „außer Betrieb“ sind, weil die Nervenverbindung gekappt und ihre Verbindung zu den Motoneuronen vollständig und irreversibel unterbrochen ist. Der Überlebenszeitraum ist länger als bisher angenommen. Denervierte Zellen bauen normalerweise schnell ab, bis hin zum völligen Absterben. Die Studie zeigt nun, dass funktionelle Elektrostimulation denervierte Muskelfibrillen retten kann.

„Für ältere Patientinnen und Patienten ist Elektrotherapie besonders hilfreich“, betont Prim. Gattringer. Die Muskulatur unterliegt einem altersbedingten Abbau. Muskelmasse wird durch Fett- und Bindegewebe ersetzt. „Mit der funktionellen Elektrostimulation lässt sich dieser Alterungsprozess hinauszögern“, so Prim. Gattringer. Für ältere Patienten bringt sie, vergleichbar mit aktivem Muskeltraining, eine bessere Durchblutung und mehr Muskelmasse. Das vermindert das Risiko für Schmerzen und Stürze und verbesserte den Zustand der Betroffenen insgesamt. Für Menschen, die kaum mehr mobil sind, bedeutet mehr Muskelmasse eine Erleichterung beim Sitzen und ein Schutz gegen Wundliegen.

Neue Behandlungsformen bei Gangunsicherheit, tauben oder brennenden Füßen

Relativ unbekannt ist die Hochtontherapie, eine neue und effektive Form der Elektrotherapie, die sich genauso bequem zu Hause im Sitzen oder Liegen anwenden lässt. Erkrankte Nerven werden dabei ursächlich behandelt, indem der Nervenstoffwechsel beeinflusst wird. Die Behandlung wird als angenehm empfunden. Sie wird bei Polyneuropathien eingesetzt, etwa aufgrund von Diabetes oder nach Chemotherapie, bringt aber auch Linderung bei Arthrosen.

Ein weiteres Beispiel für eine innovative Form der Physikalischen Therapie für die Anwendung in Spitälern und ärztlichen Praxen, die sehr rasch Behandlungserfolge zeigt, ist die fokussierte Stoßwelle (Piezo-Technologie). Haupteinsatzgebiet sind myofasziale Schmerzsyndrome oder Sehnenansatzentzündungen. Im Unterschied zur radialen Stoßwelle kann die fokussierte Stoßwelle punkt- oder linienförmig, in unterschiedlicher Tiefe ins Gewebe eindringen. Sie ermöglicht dem behandelnden Arzt, die Schmerzursache gezielt zu behandeln. Meist reichen drei Behandlungen zum Erfolg.

Quelle: Kern H, Hofer C, Löfler S, et al. Atrophy, ultra-structural disorders, severe atrophy and degeneration of denervated human muscle in SCI and Aging. Implications for their recovery by Functional Electrical Stimulation, updated 2017. Neurol Res 2017;39:660-6. doi: 10.1080/01616412.2017.1314906. Epub 2017 Apr 13 http://europepmc.org/abstract/MED/28403681

(Zitat: Pressemitteilung zu den 18. Österreichischen Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft)

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), mit batteriebetriebenen Taschenreizstromgeräten, ist eine besonders wirkungsvolle und gefahrlose Elektrotherapie über das Nervensystem. Die Geräte sind relativ robust, einfach in der Bedienung und Anwendung. Die Wirkung dieser Behandlungsmethode wurde in großen klinischen und experimentellen Studien untersucht und hat sich seit über 20 Jahren in vielen Ländern bewährt.

Hauptanwendungsgebiet TENS

Das Hauptanwendungsgebiet der TENS ist die Schmerztherapie. Auch bei Kranken mit lange bestehenden, wenig beeinflussbaren Schmerzen (jeder Art, auch Tumor- oder Krebsschmerz!) lässt sich oft noch eine gute bis sehr gute Schmerzunterdrückung erzielen. Die Wirkung der TENS ist heute wissenschaftlich aufgeklärt. Es ließ sich nachweisen, dass durch die TENS-Behandlung körpereigene schmerzunterdrückende Systeme des Zentralnervensystems aktiviert werden, die die Weiterleitung der Schmerzimpulse zum Bewusstsein hemmen.

Frequenzen

Mit der konventionellen TENS - hohe Frequenz, niedrige Intensität (Kribbeln, Vibrieren) werden vorzugsweise körpereigene Hemmsysteme im Bereich des Rückenmarkes stimuliert bzw. moduliert (= segmentale Hemmung). Dadurch werden die von diesen Rückenmarksbereichen abhängigen Körperpartien schmerzarm, besser durchblutet und es kommt hier zur Muskelentspannung.

Die TENS mit niedriger Frequenz und hoher Intensität (knapp unterhalb der lokalen Schmerzgrenze, so dass Muskelzuckungen unter den Elektroden auftreten) aktiviert die körpereigenen Schmerzkontrollsysteme im Gehirn. Durch die TENS werden Neurotransmitter (z. B. Endorphine, Dopamin, Noradrenalin und Serotonin) verstärkt freigesetzt, die alle Schmerzen unterdrücken und eine allgemeine Durchblutungsverbesserung (in allen Teilen des Körpers) hervorrufen. Diese Therapieart wirkt sich auf die körperliche und psychische Leistung günstig aus. Außerdem kann diese Therapie erfolgreich zu allgemeinen körperlichen und geistigen Leistungssteigerungen sowie zur Stressreduktion (z. B. bei Schwächezuständen) eingesetzt werden.

Platzierung der Elektroden

Durch richtige Platzierung der Elektroden, die vom Therapeuten sorgfältig und individuell angepasst sein muss, ist mit diesen beiden TENS-Formen bei akuten und chronischen Schmerzen sowie Durchblutungsstörungen ein guter Erfolg zu erwarten.

Sehr gute Verträglichkeit

Die TENS zählt zu den beliebten Heil- und Behandlungsmethoden, denn mit den elektrischen Reizen werden gefahrlos und ohne Nebenwirkungen (außer sehr seltener Strom- und Elektrodenüberempfindlichkeit) über das Nervensystem körpereigene Schutz- oder Kontroll- sowie Regelmechanismen stimuliert. Diese sind normalerweise auch im Körper wirksam, aber bei einer Erkrankung gestört oder überfordert.

Vielfach entstehen durch diese krankheitsbedingten nervalen Fehlsteuerungen, die zum Teil durch Umweltschäden und andere Belastungen mitbedingt sind, chronische Erkrankungen und chronische Schmerzen. Durch gezielte Reize der TENS an den richtigen Orten ist es möglich, die Selbstheilungskräfte und schmerzbegrenzenden Systeme zu aktivieren, bzw. das übererregte Nervensystem zeitweilig zu beruhigen, damit sich in der Erholungsphase die körpereigenen Regelsysteme harmonisieren.

Die Effizienz dieser Behandlung liegt nach jahrelanger Erfahrung und zahlreichen Studien bei über 60%, bei einigen Indikationen und regelmäßiger Anwendung bei über 90%.

Damit ist die TENS in die Reihe der hochwirksamen Therapien einzuordnen.

Die TENS-Behandlung mit der heutigen Gerätegeneration ist bei richtiger Anwendung absolut ungefährlich und nebenwirkungsfrei. Spätschäden, wie bei der Langzeitmedikation von Schmerzmitteln zu erwarten, treten bei der TENS-Therapie nicht auf.

Seltene Hautrötungen können durch allergische Reaktionen gegen Elektrodengel oder Elektrodenmaterial bedingt sein. Für alle Anwendungen stehen geeignete Elektroden zur Verfügung.

(Text: Schmerzselbsthilfe e.V., Hamburg)