Schmerztherapie, Schmerztherapeutika
Schmerzerfassung
Bevor Schmerzen behandelt werden, muss eine gründliche Anamnese erhoben werden - besonders wichtig ist dies bei chronischen Schmerzsyndromen. Aber auch wenn Sie nicht viel Zeit haben, sollten die folgenden Punkte - mit Hilfe der fünf "W" -kurz abgefragt werden. Ansonsten laufen Sie Gefahr, durch eine ungezielte Schmerztherapie erfolglos bei der Schmerzlinderung zu sein.
Wo - tut es weh?
Lassen Sie den Patienten genau beschreiben, wo er Schmerzen hat. Fragen Sie nach. Wenn er z. B. sagt: "Ich habe Bauchschmerzen," fragen Sie nach der genauen Lokalisation seiner Schmerzen.
Besonders wichtig ist dies, wenn der Patient operiert wurde oder wegen einer schmerzhaften Erkrankung im Krankenhaus ist. Wenn er sagt: "Ich habe starke Schmerzen!" wird jeder automatisch denken, dass er Schmerzen im Operationsgebiet hat oder Schmerzen durch seine Krankheit. Aber vielleicht leidet er an diesem Tag unter einem Migräneanfall, der nichts mit der Laparotomie zu tun hat oder er hat eine Blasenentzündung, die in keinem Zusammenhang zum Herzinfarkt steht. Wenn nicht genau nachgefragt wird kann es passieren, dass Medikamente verordnet werden, die zwar die ursprünglichen Schmerzen lindern könnten, bei den aktuellen Schmerzen aber wirkungslos sind.
Außerdem ist es bedeutsam, ob die Schmerzen ausstrahlen, den Ort wechseln oder mit anderen Beschwerden in Zusammenhang gebracht werden können.
Wie - tut es weh?
Man kann Schmerzen ganz unterschiedlich empfinden. Schmerz kann z. B. sein.
Körperempfindungen | Gefühle |
---|---|
brennend | unbarmherzig |
einschießend | zermürbend |
bohrend | beängstigend |
krampfartig | drückend |
pulsierend | lähmend |
klopfend | unerträglich |
stechend | |
reißend |
Auch diese Hinweise dienen der besseren Erkennung und Behandlung der Schmerzen. Analgetika, die z. B. sehr gut gegen kolikartige Bauchschmerzen helfen, haben bei brennenden Nervenschmerzen keine Wirkung.
Wie stark - tut es weh?
Jeder Mensch empfindet Schmerzen anders. Schmerz ist individuell! Nur der Betroffene kann über die Stärke seiner Schmerzen Auskunft geben. Wenn bei zehn Menschen dieselbe Operation durchgeführt wurde, wird jeder nach der Operation eine ganz individuelle Dosis an Schmerzmitteln brauchen. Man kann also nicht sagen: " Nach einer Cholecystektomie braucht ein Patient am ersten Tag 30 mg Schmerzmittel" - einer wird nur 15 mg benötigen, ein anderer 60 mg. Das ist ganz unterschiedlich!
Um die Stärke der Schmerzen zu objektivieren, wurde die sog. Visuelle Analog-Skala (VAS) eingeführt. Auf einer Linie wird die persönliche Schmerzstärke eingezeichnet. Die Skala reicht von 0 = kein Schmerz, bis 10= nicht stärker vorstellbare Schmerzen.
Das X steht hier für sehr starke Schmerzen, bei VAS 8.
Anhand der VAS-Skala kann man ganz genau verfolgen, ob das ausgewählte Schmerzmittel in dieser Dosierung die Schmerzen lindert. Da die Schmerzen oft im Laufe eines Tages schwanken, hat es sich bewährt, die Patienten 2-3 x pro Tag eine Eintragung machen zu lassen. Außerdem sollten die Patienten mitteilen, welche Schmerzstärke sie als erträglich empfinden. Nicht alle Menschen erwarten, dass sie nach einer Operation oder bei einer Erkrankung völlig schmerzfrei sind.
Wann - (und wie lange) tut es weh?
Die Beobachtung wann die Schmerzen auftreten oder besonders stark sind, kann besonders bei chronischen Schmerzen wertvolle Hinweise geben. Treten die Schmerzen nur in bestimmten Situationen auf oder sind es Dauerschmerzen? Handelt es sich um kurze, blitzartige Schmerzattacken oder um tagelange Schmerzen? Fördern Husten, langes Liegen, Essen, Kälte etc. die Schmerzen? Sind die Schmerzen tageszeit- oder bewegungsabhängig? Chronische Dauerschmerzen deuten häufig auf einen Tumor, eine Entzündung oder psychogene Schmerzen hin. Äußere Ereignisse können die Schmerzen stark beeinflussen. Bei vielen Menschen erkennt man einen "Schmerzrhythmus". Sie haben z. B. meist am Wochenende Kopfschmerzen oder immer wenn sie unter Stress stehen. Bei bestimmten Arbeiten bekommen sie Rückenschmerzen oder nach dem Genuss bestimmter Speisen Kopfschmerzen. Häufig verstärkt sich der Schmerz bei psychischen Belastungen. Die Patienten müssen sich und ihren Tagesablauf genau beobachten - anhand der Aufzeichnungen lassen sich manchmal Zusammenhänge erkennen, die keiner Analgetikatherapie bedürfen, sondern ganz anderer Therapieansätze.
Postoperativ können verschiedene Schmerzen kombiniert sein. Häufig findet man Schmerzen im Operationsgebiet und Rückenschmerzen durch das lange Liegen. Ebenso sollte man bedenken, dass viele Patienten unter starken Ängsten leiden. Sei es die Angst an Krebs erkrankt zu sein, für immer behindert oder missgestaltet zu bleiben oder den Arbeitsplatz zu verlieren. In der erzwungenen Passivität im Krankenhaus entstehen oft Gedanken über den Sinn des Lebens und viele Patienten geraten in tiefe Krisen. Ebenso sollte daran gedacht werden, dass Unsicherheit über Hintergründe und den Verlauf der Erkrankung, das Schmerzempfinden verstärken können. Ein klärendes Gespräch kann manchmal mehr bewirken, als die stärksten Analgetika.
Was - wurde bisher gemacht?
Auch hier ist zwischen akuten und chronischen Schmerzen zu unterscheiden. Bei akuten Schmerzen sind frühere Erfahrungen weniger bedeutsam - außer hinsichtlich Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen bestimmter Medikamente. Die akuten Schmerzen müssen ganz individuell und zeitlich begrenzt behandelt werden.
Wenn der Patient allerdings unter chronischen Schmerzen leidet, sollte er genau mitteilen welche Therapien und Schmerzmittel bisher geholfen haben und was erfolglos war. So kann schneller eine erfolgversprechende Therapie gefunden werden. Manchmal muss man allerdings auch einige Überzeugungsarbeit leisten, um dem Patienten klarzumachen, dass eine Therapie, die er als unwirksam ablehnt, in einer anderen Dosierung, in Kombination mit anderen Mitteln oder einfach dadurch, dass es von anderen Therapeuten gemacht wird, doch hilfreich sein kann.
Autorin
Dr. Angelika BöhmeFachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin,
Algesiologin, Graz (Institut für Psychosomatik u. Verhaltenstherapie),
München (KH-Harlaching)