Arten der Schmerzbehandlung

Hypnose

Begriffsklärung

Die Hypnose zählt zu den ältesten bekannten psychotherapeutischen Verfahren in der Behandlung von Schmerzen. Bis heute existiert jedoch keine eindeutige Definition des Begriffes. Einerseits wird angenommen, dass das Phänomen der Hypnose durch einen besonderen kognitiven Zustand gekennzeichnet ist – ein Bewusstseinszustand ("Trance"), der sich also deutlich vom normalen Wachbewusstsein unterscheidet und durch bestimmte psychologische Mechanismen wie z.B. Dissoziation gekennzeichnet ist –, andererseits werden hypnotische Zustände versucht durch sozialpsychologische Faktoren zu erklären. Beide Standpunkte scheinen einen entsprechenden Beitrag zur Begriffsklärung zu liefern. Der besondere kognitive Zustand gilt als zutreffend für die Gruppe der hochsuggestiven Personen, die sozialpsychologische Sichtweise gilt eher als Erklärungsmodell für die normal-suggestiblen Personen.

In der Literatur findet man im Zusammenhang mit Hypnose drei zentrale Begriffe: hypnotische Trance, Suggestibilität und hypnotische Phänomene (Peter 1993). Hypnotische Trance unterscheidet sich vom natürlichen Schlafgeschehen, indem sie physiologisch wie auch erlebnismäßig von tiefer Entspannung bis erhöhter Bewusstheit reichen kann, je nach Kontext und Art der Tranceinduktion. Trance-Phänomens lassen sich charakterisieren als gesteigerte Imaginationsfähigkeit, als Zustand des „Absorbiertseins“, oder einfach als Zustand einer erhöhten Reaktionsbereitschaft. Zwischen der Tiefe einer Trance und der Durchführung bzw. Effektivität bestimmter therapeutischer Aufgaben gibt es bislang keinen gesicherten Zusammenhang.

Suggestibilität meint zunächst die Beeinflussbarkeit einer Person und stellt ein relativ konstantes und eigenständiges Persönlichkeitsmerkmal dar. Im therapeutischen Kontext versteht man die Suggestibilität eines Klienten auch als eine Funktion des therapeutischen Rapports und drückt damit die besondere Beziehungsqualität zwischen Klient und Therapeut aus, in der weder Manipulation noch Unterwerfung intendiert werden.

Hypnotische Phänomene sind willkürlich kaum oder gar nicht beeinflussbare Handlungen oder Prozesse, die in der Hypnose mittels Suggestion herbeigeführt werden. Hierzu zählen kinästhetische Phänomene (z.B. Katalepsien, Levitationen) sensorisch-dissoziative Phänomene (z.B. Analgesien, Amnesien), Altersregression oder posthypnotische Aufträge (Peter 1993). Diese Phänomene sind nur im therapeutischen Rahmen, z.B. zur Schmerztherapie, zielführend und sinnvoll.

 

 

Psychophysiologische Grundlagen der Hypnose

Der Zustand, der durch die Hypnose hervorgerufen wird, gleicht einem Entspannungszustand. Der Muskeltonus ist dabei herabgesetzt, Blutdruck, Herzfrequenz und Atmung sind verlangsamt und der Anteil des Alpharhythmus im EEG ist erhöht. Weitere Charakteristika sind eine veränderte Zeit- und Sinneswahrnehmung, eine fokussierte Aufmerksamkeit, eine besonders lebhafte Imaginationsfähigkeit sowie motorische Hemmung. 

Die experimentelle Schmerzforschung erbrachte einige Ergebnisse zur spezifischen Wirkung der hypnotischen Schmerzkontrolle. Als ein konsistentes Ergebnis findet sich eine Differenzierung der sensorischen Komponenten (z.B. Schmerzstärke, Lokalisation) und affektiven Komponenten (z.B. Unannehmbarkeit, Leidensdruck) des Schmerzes. So lässt sich mittels Hypnose die affektive Komponente des Schmerzes signifikant stärker hemmen als die sensorische Komponente, auch bei wenig suggestiblen Personen (Price 1988). Umgekehrt besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Suggestibilität und dem Ausmaß einer Reduktion der (sensorischen) Schmerzintensität mittels Hypnose. Unter experimentellen Bedingungen ist die affektive Schmerzkomponente isoliert hemmbar, während beim Versuch einer selektiven sensorischen Schmerzhemmung der Grad der (affektiven) Unerwünschtheit parallel abnimmt (Rainville et al. 1999). Eine mögliche Erklärung für diese Effekte besteht in der unterschiedlichen neurobiologischen Verarbeitung sensorischer und affektiver Schmerzkomponenten. In PET-Studien findet sich eine Assoziation zwischen dem subjektiven Gefühl an Unerwünschtheit des Schmerzerlebens und einer Aktivitätssteigerung im Gyrus cinguli anterior, die sich mittels hypnotischer Analgesie selektiv hemmen lässt (Rainville et al. 1997). Eine weitere Erklärung könnt in der Beobachtung liegen, dass affektive Reaktionen in höherem Maße kontextabhängig sind als sensorische Reaktionen (Price 1999).

Neben dieser affektiv-sensorischen Differenzierung spielen kortikale Mechanismen eine wesentliche Rolle in der hypnotischen Schmerzverarbeitung, wie z.B. kognitive Faktoren (z.B. die Erwartungshaltung) und dissoziative Mechanismen: So lässt sich die bewusste Schmerzwahrnehmung von der physiologischen Schmerzreaktion (z.B. Herzratensteigerung während experimenteller Schmerzreizung) trennen. Als Erklärungsmechanismen werden hierfür Bewertungsprozesse diskutiert, die in der Lage sind, ankommende Schmerzreize als subjektiv irrelevant zu kodieren, weiters auch die Möglichkeit einer „Schmerz-Amnesie“ durch Dissoziation, d.h. durch Unterbrechung der normalerweise integrativen Funktion des Bewusstseins (Hilgard & Hilgard 1983). Neurobiologische Untersuchungen belegen die Hypothese einer Aktivierung deszendierender schmerzhemmender Systeme mittels Hypnose. So ist die Amplitude somatosensorisch evozierter Potentiale (SEP) bei hochsuggestiblen Personen unter hypnotischer Analgesie signifikant verringert und unter Hyperalgesie erhöht. Bei erfolgreicher hypnotischer Analgesie findet sich weiters eine relative Erhöhung des rCBF im präfrontalen Cortex (Crawford 1993). Die Frage, inwieweit die hypnotische Hemmung der somatosensorischen Schmerzverarbeitung auf spinaler Ebene oder in höheren (kortikalen) Zentren stattfindet, konnte bislang nicht schlüssig beantwortet werden. Möglicherweise spielen hierbei interindividuell unterschiedliche Verarbeitungsprozesse eine Rolle (Price 1999).

 

 

Klinische Hypnose – Durchführung

Nach dem sogenannten Utilisationsprinzip (Erickson & Rossi 1981) ist das therapeutische Vorgehen bei der Hypnose im wesentlichen patientenzentriert. Nach Durchführung einer ausführlichen psychosozialen Anamnese wird nach einem individuellen Fallkonzept (Bedingungsgefüge, Indikationsstellung) vorgegangen, bei dem die Hypnose bzw. hypnotherapeutische Behandlung nicht nur als isolierte, standardisierte Technik eingesetzt wird, sondern als Ergebnis einer intensiven Interaktion zwischen Therapeut und Klient aufgefasst wird (Peter 1993). Die wichtigsten Verfahren zur Nutzung der Trance innerhalb der Schmerzkontrolle sind die Analgesie (z.B. Handschuhanalgesie), die Amnesie, die Dissoziation und die Transformation (Umdeutung, Verschiebung und Substitution).

Generell wird zwischen dissoziativen, assoziativen und symbolischen Techniken unterschieden, wobei es in der Praxis immer wieder zu Überschneidungen kommt. Bei den dissoziativen Techniken geht es um die Trennung des Schmerzes vom nicht-schmerzenden Rest des Körpers oder vom bewussten Schmerzempfinden bzw. soll eine Isolierung des Schmerzes erreicht werden (z.B. Aufmerksamkeitslenkung, Symptomsubstitution). Wenn die Wahrnehmung des Schmerzes derart verringert/verändert ist, dass der schmerzende Körperteil als aus dem Körperschema herausgetrennt/isoliert erlebt wird, kann von einer echten hypnotischen Dissoziation gesprochen werden. Bei den assoziativen Techniken ist es zunächst notwendig, dass sich der Patient dem Schmerz zuwendet, wodurch es erst einmal zu einer Verstärkung des Schmerzerlebens kommt. In der praktischen Durchführung ist es daher in besonderer Weise notwendig, vor der Übung mit den Patienten die einzelnen Schritte genau durchzugehen. Eine hohe Motivation und das entsprechende Vertrauen sind die Voraussetzung für die Anwendung. Das Erkennen der Schmerzgrenzen ermöglicht es den Patienten variabel damit umzugehen und Möglichkeiten zu finden, die den Schmerz verändern. Die Repräsentanz des subjektiven Schmerzempfindens spielt dabei eine wesentliche Rolle (z. B. bei einem ziehenden Schmerz soll die Spannung nachgelassen werden.) Im Rahmen der symbolischen Verarbeitungstechniken geht es schließlich um die Überführung der wahrgenommenen Repräsentanz in eine adäquate Sinnesempfindung, d h ein Erstellen eines neuen Bezugsrahmens (Externalisierung), in dem Veränderungen leichter möglich sind.

 

 

Indikationen

Hypnotische Interventionen sind grundsätzlich einsetzbar bei akuten und chronischen Schmerzzuständen. Faktoren, die zur differentiellen Indikation und Kontraindikation beitragen, sind nach Peter (1998) nicht primär die Schmerzsymptomatik, sondern: die Hypnose als Zustand, die Hypnotisierbarkeit, der hypnotische Rapport, die Hypnose als Behandlungstechnik und der Schmerz als multifaktorieller Prozess. Dissoziative Techniken im Besonderen, aber auch assoziative und symbolische Techniken sind daher für PatientInnen, die mit ihren intra- und interpsychischen Grenzen Schwierigkeiten haben (Psychosen, schwerwiegende Persönlichkeitsstörungen) wenig geeignet. Wenn die Fähigkeit zur Imagination zu wenig ausgeprägt ist, scheint eine Hypnose nicht zielführend. Entscheidende Voraussetzung für eine gute Hypnotisierbarkeit ist eine tragfähige therapeutische Beziehung. Es ist darauf zu achten, dass die durchgehend passive Haltung des Patienten im Verlauf einer Hypnosesitzung nicht kontraproduktiv wirkt im Sinne der durch die Schmerzbehandlung angestrebten Aktivitätssteigerung und vermehrten Übernahme an Selbstverantwortlichkeit. Die zusätzliche Vermittlung von psychologischen Verfahren zur Selbstkontrolle des Schmerzerlebens (Entspannung, Meditation, interne und externe Aktivitätslenkung) erscheint daher sinnvoll.

 

 

Effektivitätsnachweis

In einer Metaanalyse über 18 Studien mit Kontrollgruppendesign (Montgomery et al. 2000) fanden sich mittlere bis starke Effektstärken (d=0.74). Die Effektivität der Schmerzreduktion durch Hypnose war dabei vergleichbar der Wirksamkeit anderer psychologischer Verfahren. Methodische Schwächen dieser Metaanalyse schränken allerdings die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ein (Häuser et al. 2002). So finden sich überwiegend Studien zur Akutschmerztherapie mittels Hypnose, während in der Therapie chronischer Schmerzen hypnotische Interventionen zumeist als Ergänzung kognitiv-verhaltenstherapeutischer oder psychodynamischer Verfahren verwendet wird. Hypnose kann somit als effektive Behandlungsform in der Akutschmerztherapie empfohlen werden, während bezüglich der Wirksamkeit bei chronischer Schmerzen aufgrund unzureichender Daten derzeit keine schlüssige Aussage gemacht werden kann.

 

 

Literatur

Crawford, H.J., Gur, R. C., Skolnick, B, Gur, R. E. (1993). Effects of hypnosis on regional cerebral blood flow during ischemic pain with and without suggested hypnotic analgesia. International Journal of Psychophysiology, 15, 181.

Erickson MH, Rossi EL (1981). Hypnotherapie. München: Pfeiffer-Verlag.

Häuser, W., Stetter, F. & Kupper, S. (2002). Effektivität hypnotischer Schmerzbehandlung. Eine Metaanalyse hypnotisch induzierter Analgesie: Wie effektiv ist Hypnose? Der Schmerz, 16:155-157.

Hilgard ER, Hilgard JR (1983). Hypnosis in the Relief of Pain. New York: Brunner/Mazel Publishers.

Lang, E. V., Benotsch, E. G., Fick, L. J., Lutgendorf, S., Berbaum, M. L., Logan, H. & Spiegel. D. (2000). Adjunctive non-pharmalogical analgesia for invasive medical proceurdes: a randomised trial. Lancet, 335:1486-90.

Montgomery, G.H., Duhamel, K.N., Redd, W.H. (2000). A meta-analysis of hypnotically induced analgesia: How effective is hypnosis? Int. J. of. Clinical and Experimental Hypnosis, 48:138-53.

Neumann, W., Seelbach, H., Pfand-Neumann, P., Kugler, J. & Krüskemper, G.M. Psychologische Konzepte in der schmerztherapeutischen Praxis. Teil 1: Entspannungsverfahren, imaginative Verfahren, Hypnotherapie und Psychoanalyse. ZaeFQ, 1997, 91: 729-734.

Peter, B (1993). Hypnose. In: Basler HD, Franz C, Kröner-Herwig B, Rehfisch HP, Seemann H (Hrsg.). Psychologische Schmerztherapie. Berlin, Heidelberg, New York, Springer-Verlag, pp 482-500.

Peter, B. (1998). Möglichkeiten und Grenzen der Hypnose in der Schmerzbehandlung. Der Schmerz, 12: 179-186.

Price, DD (1988). Psychological and neural mechanisms of pain. New York: Raven Press.

Price DD (1999). Mechanisms of hypnotic analgesia. In: Price DD. Psychological mechanisms of Pain and Analgesia. Progress in Pain Research and Management Vol. 15. Seattle: IASP-Press, pp 183-204.

Rainville P, Duncan GH, Price DD, Carrier B, Bushnell MC (1997). Pain affect encoded in human anterior cingulate but not somatosensory cortex. Science 277:968-971.

Rainville P, Carrier B, Hofbauer RK, (1999). Dissociation of sensory and affective dimensions of pain using hypnotic modulation. Pain 82(2):159-171.

Syrjala, K. L. & Abrams, J. R. (1996). Hypnosis and Imagery in the Treatment of Pain. In R. J. Gatchel & D. C. Turk (Eds.). Psychological Approaches to Pain Management. A Practicioner’s Handbook. NY: The Guilford Press.

 

 

Autor

Univ.Prof.Prim. Dr. Michael Bach