Schmerzbilder nach Alphabet

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Algodystrophie

Definition
Es handelt sich um ein posttraumatisches Schmerzsyndrom, meistens im Anschluß eines Bagatelltraumas oder einer Operation in den betroffenen Extremitäten. CRPS manifestiert sich meistens in heftigen brennenden Schmerzen mit motorischer, tropischer, sensomotorischer Funktionseinschränkung.
Die Symptome sind distal betont und sind nicht auf das Ausbreitungsgebiet eines Nerven beschränkt.

Man unterscheidet zwischen zwei Formen von CRPS:

• Komplexes regionales Schmerzsyndrom Typ I (Morbus Sudeck)
• Komplexes regionales Schmerzsyndrom Typ II (Kausalgie)

Morbus Sudeck oder CRPS I zeigt sich klinisch hauptsächlich in Form von trophischen Veränderungen in der Haut, Knochenentkalkung, Nägel, Gelenkskapsel, verbunden mit motorischer Funktionsstörung.

Manchmal reicht eine kleine Verletzung beim Nägel schneiden, Verletzung der Haut oder Muskulatur als Ausgang für die Entstehung des CRPS.
Nicht selten findet man in der Praxis Patienten mit CRPS nach Radiusfraktur, Karpaltunnel-Operation, Gelenkdistorsion. Auf jeden Fall entwickelt sich das CRPS Typ I nach einem schädigenden Ereignis.
Typisch auch bei dieser Störung ist der brennende, bohrende Schmerzcharakter, was sich durch das Herabhängen der Extremität verstärkt. Das betroffene Areal ist berührungsempfindlich (Allodynie). Eine typische Symptomatik des CRPS durch die autonome Regulationsstörung ist die veränderte Hauttemperatur (um ca. 1,5°C), kälter oder wärmer als die andere Seite, als Folge einer Durchblutungsstörung der Haut. Die Feinmotorik und die motorische Koordination sind ebenfalls gestört.
Ein befürchteter bleibender Schaden ist die persistierende Funktionseinschränkung.

Klinisches Bild (variabel)

Somatosensorische Symptome und Schmerz:
Am Beginn bei 90% der Pat. heftige, meist brennende, bohrende Spontanschmerzen, schlecht lokalisierbar, in der Tiefe, verstärkt unter Orthostasebedingungen und durch Bewegung.
Evozierte Schmerzen:
dynamische und statische Berührungsallodynie 50-80%, Hyperpathie 70%, unangenehme Dysästhesie, Kälte- und Wärmeallodynie, negative Symptome wie Hypästhesie, Hypalgesie.

Autonome (sympathische) Symptome:
Bei normaler Raumtemperatur ist die erkrankte Extremität um mehr als 2° Celsius kälter (20%) oder wärmer (80%), abnorme Hautdurchblutung, livide Hautverfärbung.
In der akuten Phase: Überwärmung, nach Wochen Hypothermie
Gestörte Schweißproduktion (60% Hyperhidrosis, 20% Hypohidrosis).
Typischerweise in der Akutphase eine ausgeprägte Schwellung dorsal und distal.

Motorische Symptome
In 90 % besteht eine Einschränkung der willkürlichen Kraft aller distalen Muskeln der betroffenen Extremität. Komplexe Bewegungen, wie Faustschluss sind betroffen, oft sind gezielte Bewegungen nur unter visueller Kontrolle möglich.
Paresen gehen über das durch passive Einschränkung (Ödem, Kontraktur, Schmerz) erklärbare Ausmaß hinaus. Die Muskeleigenreflexe sind meist normal.
Bei etwa 50% der Pat. mit CRPS der Oberen Extremitäten feinschlägiger Tremor, selten Dystonie

Gelenk - und Knochenveränderung
Beteiligung der peripheren Gelenke führt bei manchen Patienten als prognostisch ungünstiges Zeichen sehr rasch zu einer Versteifung peripherer Gelenke.
Typisch ist die „Affenhand" mit Beugung im Handgelenk, überstreckten Fingergrundgelenken verbunden mit Streckdefiziten in den Fingermittelgelenken.
Fleckige Knochenentkalkungen treten nach Wochen bis Monaten auf.
Die Veränderungen im Knochenstoffwechsel sind pathognomonisch.

Trophische Störungen
Bei 30-40% der Patienten im fortgeschrittenen Stadium trophische Störungen der Haut: gestörtes Nagel- und Haarwachstum, Hautfibrosierung oder Hyperkeratose, atrophische dünne glänzende Haut.

Psychische Symptome
Affektlabilität, Körperwahrnehmungsstörungen, Depressivität, Bagatellisierung, Katastrophisieren, autoaggressives Verhalten wie „Vernachlässigung".
Pathophysiologie:

Man vermutet unter pathphysiologischen Bedingungen eine funktionelle Interaktion zwischen dem efferenten sympathischen und dem afferenten nozizeptiven Nervensystem. Diese wird sympathisch-afferente Koppelung genannt. Diese Koppleung könnte die Schmerzreduktion durch die Stellatumblockade zum Beispiel erklären, da man durch die Stellatumblockade die efferenten sympathischen Fasern blockiert und nicht die afferenten nozizeptiven Fasern aus der betroffenen Extremität. In dem Zusammenhang vermutet man auch, dass sensibilisierte Nozizeptoren von afferenten C-Fasern efferent Neuropeptidase freisetzen (neurogene Entzündung).
In dem betroffenen Gewebe wurden auch höhere Spiegel von Substanz P und CGRPS gefunden.

Sowohl die typischen Symptome des Sympathikus-unterhaltenen Schmerzes (SMP) als auch die Symptome des Sympathikus-unabhängigen Schmerzes (SIP) sind bei der sympathischen Reflexdystrophie (CRPS) oft oder fast immer vorhanden, auch wenn von vielen Autoren die Schmerzen bei CRPS dem Sympathikus-unterhaltenen Schmerz (SMP) zugeordnet werden und diese Erkrankung als Beispiel dafür angeführt wird .

Klassifikation

Während bei der Entstehung des CRPS I keine direkte axonale Schädigung des betroffenen Nervs vorliegt, entsteht das CRPS II nach direkter axonaler Nervenschädigung.
Weitere Differenzierung bezieht sich auf die Hauttemperatur bei Beginn der Erkrankung,
warme, entzündliche Haut versus kalte livide Haut (Eberle et al).
Diagnostische Maßnahmen zum komplexen regionalen Schmerzsyndrom:

• Wichtiges Diagnosekriterium ist die Klinik, manchmal sind motorische, trophische/autonome und sensible Störungen allein mit der Anamnese für die Diagnosestellung eines CRPS ausreichend.
• Dreiphasen-Knochszintigraphie: gesteigerte arterielle Durchblutung in der ersten Phase, gelenksnahe Mehrspeicherung in der dritten Phase.
• MRI zeigt Signalanhebung intrakarpal sowie Signalanstieg in den Weichteilen.
• weitere Untersuchungsmethoden: Es gibt diesbezüglich mehrere Methoden wie Infrarot- Thermometrie, Infrarot –Thermographie
• Laser- Doppler-Flowmetrie, quantitative sensorische Testung
• Die Sympathikusblockade kann unter Umständen zu der Diagnose herangezogen werden.

Neuralgien:
Schmerzen im Ausbreitungsgebiet eines peripheren Nervenläsionen

Territoriale neuropathische Schmerzsyndrome: Sensorische Symptome (dynamische Berührungsallodynie, Kälteallodynie, Hyperalgesie) überschreiten das Innervationsgebiet eines geschädigten Nervs um einige cm, aber keine distale Generalisierung der Symptome, keine Gelenksschmerzen, keine Störung des Knochenmetabolismus.

z.B. Polyneuropathie, schmerzhafte, Postherpetische Neuralgie, zentrale Schmerzsyndrome

Therapeutische Optionen zur Behandlung des CRPS :

Entscheidend für den Therapieerfolg ist die rechtzeitige Diagnosestellung!

Medikamentöse Therapie

Glukokortikoide im akuten Stadium
Antikonvulsiva (Gabapentin, Pregabalin) bzw. Trizyklische Antidepressiva (vor allem Amitriptylin) zur Behandlung der Neuropathischer Schmerzen
• eventuell Calcitonin, Bisphosphonate 
• Radikalfänger : Vit C , DMSO
• bei starken Schmerzen ist die Gabe von Opioiden wirksam und gerechtfertigt.

Minimalinvasiv- Invasives Verfahren:

• Sympathikolyse (Symatikolyse durch Blockade oder Plexuskatheter), intevenöse regionale Sympathikolyse (IVRS ) mit Guanethidin.
• Spinal cord Stimulation
• Sympathektomie
• Amputation als ultima ratio

Weiter Therapieoption im Rahmen der Multimodale Therapie:

- Bewegungstherapie
- Ergotherapie (Funktionstraining, Desensibilisierungstraining)
- CO2 – Bäder (Trophik- Verbesserung)
- Manuelle Lymphdrainage (Schwellungsreduktion)
- Verhaltenstherapie bei chronischen Verläufen.


Die Therapie muß multimodal erfolgen
Schmerztherapie vor allem systemisch und erst bei Persistieren der Symptomatik trotz systemischer Therapie ist die Sympathikolyse durch Blockade oder Plexuskatheter je nach Lokalisation und Möglichkeit gerechtfertigt.
Eine Chronifizierung muss unbedingt verhindert werden, ebenso muss möglichst ein verbleibender Funktionalitätsverlust der betroffenen Körperregion vermieden werden und zwar durch intensive Physiotherapie bzw. Ergotherapie. Das Ziel dieser Maßnahmen ist die Selbstmobilisierung sowie Desensibilisierung.

Dr. Y. Al-Qassab
ZISOP, Klinikum Klagenfurt

Dr. Margot Glatz, Dr. Erich Rohringer,
Landesklinikum St. Pölten