Arten der Schmerzbehandlung

Neurostimulation / SCS

Neuromodulation

Neuromodulation ist die Beeinflussung des Nervensystemes mittels biologischer, chemischer oder elektrischer Methoden ohne substantielle Veränderungen vornehmen zu müssen! Vor allem technische Fortschritte im Bereich der Mikroelektronik haben zur Entwicklung von Implantaten geführt, mit deren Hilfe chronische Schmerzen oder auch funktionelle Störungen im Bereich des Nervensystems behandelt werden können.

Stimulationsverfahren mittels vollständig implantierbarer Systeme

  • Spinal Cord Stimulation (SCS)
  • Periphere Nervenstimulation (PNS)
  • Subkutane Nervenstimulation (SNS)
  • Tiefenhirnstimulation (DBS)
  • Motorkortexstimulation

Indikationen zur SCS (epiduralen Stimulation der Hinterstränge)

Indikationen sind vorwiegend neuropathische, lokal abgrenzbare, chronische Schmerzen.

Neuropathische Schmerzen entstehen durch eine primäre Läsion oder eine Dysfunktion des Nervensystemes beispielsweise metabolischer, toxischer, degenerativer, entzündlicher, ischämischer oder immunologischer Genese. Man spricht von Mononeuropathie wenn nur ein Nerv betroffen ist, von Mononeuropathia multiplex wenn mehrere einzeln definierte Nerven betroffen sind und von Polyneuropathie bei diffuser, bilateraler Lokalisation (z.B. beim Diabetes mellitus). Diese Schmerzformen sprechen meist schlecht auf medikamentöse Therapien an und sind häufig von vegetativen Symptomen (Rötung/Schwellung/trophische Störung) und Sensibilitätsstörungen (Allodynie/Hyperalgesie/Hypalgesie/Hypästhesie/Hyperästhesie und Dysästhesie) begleitet.
Es handelt sich um Dauerschmerzen als Folge einer Schädigung des primären afferenten Neurons und daraus entstandener, irreversibler peripherer und zentraler Veränderungen.
Die Schmerzqualität wird meist als brennend, schneidend, elektrisierend und einschießend beschrieben.
Die Schmerzen projizieren sich entsprechend dem Innervationsgebiet des betroffenen Nerven in die Peripherie und beginnen mit einer gewissen Latenz (Tage bis Wochen) nach der Läsion.

Bewährte Indikationen für die SCS sind:

  • FBSS "failed back surgery syndrome", Rhizopathien nach Diskushernienoperationen oder anderen Eingriffen im Bereich der Wirbelsäule
  • CRPS I complex regional pain syndrom (früher sympathische Reflexdystrophie oder Morbus Sudeck)
  • CRPS II (früher Kausalgie)
  • Deafferenzierungsschmerzen (CRPS II, Phantomschmerz, postherpetische Neuralgie, periphere Neuropathie, traumatische Rückenmarksverletzung)
  • Angina pectoris
  • PAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit), periphere Angiopathien, Mb Raynaud
Methode

Bei der SCS handelt es sich um eine epidurale Niederspannungsstimulation des Rückenmarkes zur Blockierung der Weiterleitung von Schmerzimpulsen. In Abhängigkeit vom verwendeten Elektrodentyp handelt es sich meist um einen minimal invasiven operativen Eingriff in Lokalanästhesie, da intraoperativ Probestimulationen zum Auffinden der individuell optimalen Elektrodenposition durchgeführt werden müssen!
Bildwandlerunterstützt wird unter aseptischen Bedingungen der Epiduralraum im Bereich der mittleren Lendenwirbelsäule mittels Tuohy Nadel punktiert und die meist vierpolige Elektrode nach kranial vorgeschoben. Unter Stimulation wird die Elektrode sodann langsam zurückgezogen (Trolling-Methode) bis die, durch die Stimulation erzeugten Kribbelparästhesien das Schmerzareal des Patienten optimal abdecken. Die Elektrode wird mit einem nach extern ausgeleiteten Kabel verbunden und der Patient kann in Folge Teststimulationen, gegebenenfalls auch unter Alltagsbedingungen durchführen. Die Testphase dauert in der Regel 2 - 3 Tage oder mehrere Wochen bis eine signifikante (ca. 50%ige) Schmerzreduktion zu verzeichnen ist!
Bei positivem Testergebnis wird das externe Kabel entfernt und ein Impulsgenerator implantiert.
Am häufigsten werden heute sogenannte vollständig implantierbare Systeme verwendet, aber auch Halbimplantate finden vorzugsweise bei Patienten, die sehr hohe Spannungen benötigen noch Anwendung. Dabei sind nur die Elektroden und der Empfängerblock unter der Haut implantiert. Um stimulieren zu können muss der Patient dabei jedoch eine Antenne über dem Empfängerblock fixieren, was Dauerstimulationen oder eine Stimulation während diverser Aktivitäten (z.B. Bewegung im Wasser etc.) unmöglich macht. Der Vorteil eines solchen Systems besteht in einem problemlosen Batteriewechsel. Bei vollständig implantierten Systemen kann in jeder Situation stimuliert werden- bei Erschöpfung der Batteriekapazität (in der Regel nach etwa 5 - 7 Jahren) muss der Impulsgenerator allerdings operativ ausgetauscht werden. Systeme mit aufladbaren Akkubatterien halten 10 Jahre und länger, müssen aber regelmäßig (ca 1x im Monat) aufgeladen werden (induktiv mit Ladegerät)

Risiken

Die Risiken der Methode sind als gering einzustufen und beschränken sich auf Infektionen (3–6%) und Liquorverlustsyndrome nach versehentlicher Duraperforation (postpunktioneller Kopfschmerz), epidurale Blutungen werden in der Praxis kaum beobachtet.
Hauptkomplikation stellt die Dislokation der Elektrode dar, gefolgt von heute seltenen technischen „Gebrechen“ wie Elektrodenbrüchen und Isolationsdefekten.

Indikationen zur peripheren Nervenstimulation (PNS)

Chirurgische Methode zur Behandlung chronischer, brennender Schmerzen
• (mono)neuropathische Schmerzen Z.B nach einer peripheren, inkompletten Nervenschädigung, verbunden mit Allodynie und Hyperpathie
• Phantomschmerzen
• CRPS II (Kausalgie)
• inkomplette Plexusläsion

Methode

Der periphere Nerv wird proximal der Läsion operativ über eine Strecke von etwa zwei Zentimetern freigelegt. Eine meist vierpolige Elektrode wird epineural mikrochirurgisch im Bereich des Nerven fixiert und nach subkutaner Untertunnelung nach Extern ausgeleitet, um wie bei der Hinterstrangstimulation, Teststimulationen durchführen zu können. Es ergeben sich dabei selektive, auf den jeweiligen Nerv bezogene Reizparästhesien. Zeigt sich bei einer bis zu vierwöchigen Teststimulation eine signifikante und reproduzierbare Schmerzreduktion, wird der Impulsgenerator an die Elektrode angeschlossen und ebenfalls implantiert.

Risiken

Operativer Eingriff mit zusätzlichen Verletzungsmöglichkeiten proximal der bereits vorhandenen Nervenläsion.

Indikationen zur Subkutanen NervenStimulation (SNS)

soweit bis heute abschätzbar und erst durch wenige Publikationen belegt:

  • N.occipitalis Neuralgie
  • Nervus inguinalis Neuralgie
  • Inkomplette periphere Nervenläsionen
  • Oberes Zervikalsyndrom
  • Postherpetische Neuropathie
  • Chronische Rückenschmerzen?
  • Persistierender idiopathischer Gesichtsschmerz
  • etc.
Methode

Eine oder mehrere meist vierpolige Elektroden werden subkutan in das entsprechende Schmerzareal oder in das korrespondierende Areal eines peripheren Nerven implantiert.
Die Methode ist minimal invasiv, d.h. der Subkutanraum wird perkutan mit der Tuohy-Nadel punktiert und über diese sodann die Elektrode eingeführt. Wie bei den anderen Stimulationsverfahren wird eine Testphase von mehreren Tagen bis Wochen angeschlossen – nur bei positiver Testung wird das vollständige System implantiert.

Risiken

Subkutan gelegene Blutungen oder Infektionen – diese allerdings signifikant häufiger als bei der SCS - sowie Dislokationen der Elektrode oder Kabelbrüche durch Materialermüdung.

Indikationen zur Tiefenhirnstimulation DBS (Deep Brain Stimulation)

Thalamische Stimulationen eignen sich besonders zur Behandlung von neuropathischen (Deafferentierungsschmerz) oder durch zentrale Läsionen (z.B. Thalamusinfarkt) bedingte Schmerzen. Stimulationen des Höhlengrau`s sind geeigneter zur Therapie nozizeptiver Schmerzen. Wenn andere Therapien fehlgeschlagen sind, wird die DBS heute auch zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen, peripherer neuropathischer Schmerzen und Schmerzen nach Plexusläsionen eingesetzt.
weitere Indikationen :
Bewegungsstörungen (M.Parkinson, therapieresist. Tremor: essentiell, rubra. Dystonie) Clusterkopfschmerzen, psychiatrische Indikationen, therapieresist. Zwänge, Gilles de la Tourette Syndrom, schwere Depressionen.

Methode

Bei der Tiefenhirnstimulation zur Schmerztherapie werden stereotaktisch feine Reizelektroden in den Bereich des Periaquäduktalen Grau`s und des sensiblen Thalamus implantiert. Über die Elektrode werden hochfrequente Stromimpulse zugeführt. Die Therapie ist wie die anderen Elektrostimulationsverfahren ebenfalls reversibel.
Die Implantation der Elektrode erfolgt in lokaler Betäubung am wachen Patienten, da nur unter Kooperation mit dem Patienten die Wirkung der Stimulation intraoperativ überprüft und optimiert werden kann. Auch können so mögliche Nebenwirkungen erkannt und vermieden werden.
Unter Fixation des Kopfes in einem speziellen Ring (Stereotaxie-Ring), der als Referenzsystem für die Berechnung der Raumkoordinaten des Zielpunktes dient, wird nach Setzen eines 10 mm großen Bohrloches unter Lokalanästhesie, eine spezielle Elektrode punktgenau eingeführt und fixiert. Über eine Ableitung nach Außen können Teststimulationen wie bei den anderen stimulativen Verfahren über mehrere Tage bis Wochen durchgeführt werden. Bei positivem Resultat, d.h. sowohl Arzt als auch Patient können sich von der Wirkung der Stimulation überzeugen, wird der Impulsgenerator in einer kleinen subkutanen Tasche in der Pektoralisregion implantiert. Die Stimulation erfolgt chronisch, die Stimulationsparameter können jederzeit über ein spezielles Programmiergerät telemetrisch durch die Haut verändert und somit angepasst werden.

Risiken

Als Risiken werden in einem geringen Prozentsatz intrazerebrale Blutungen, Infektionen und "Unverträglichkeitsreaktionen" (Entzündungen / lokalerSchmerz / Rötung / generalisierte Immunreaktion), sowie bleibende neurologische Defizite angegeben.
Auch sind Elektrodendislokationen und technische Probleme möglich. Insgesamt liegt die Komplikationsrate bei niedriger Mortalität unter 13 %.
Die Tiefenhirnstimulation ist ein neues, effizientes und unter bestimmten technischen Voraussetzungen (stereotaktischer OP, CT und MRI) risikoarmes Verfahren zur Behandlung sonst therapierefraktärer Schmerzen.

Indikationen zur Motorkortexstimulation

  • Deafferentierungsschmerzen nach Thalamus- oder Plexusläsionen
  • persistierende idiopathische Gesichtsschmerzen
Methode

Implantation einer epiduralen Elektrode in der Präzentralregion (Motorkortex!). Präoperativ hat sich die Durchführung einer funktionellen Kernspintomographie zur genauen Lokalisation des „entsprechenden“ Motorkortexareales bewährt. Entsprechend wird über dem identifizierten Kortexareal eine kleine Kraniotomie angelegt, intraoperativ erfolgt die Bestätigung der Lokalisation durch Ableitung von Medianus- oder Tibialis SEP`s (somatosensorisch evozierte Potentiale). Sodann wird eine Plattenelektrode epidural implantiert. Es erfolgt eine bipolare Teststimulation zur nochmaligen genauen Lokalisierung mit niedriger Frequenz (<1 HZ), da sich mit niedrigen Frequenzen motorische Antworten auslösen lassen.
Über ein extern ausgeleitetes Kabel wird eine Teststimulationsphase wie bei den anderen Stimulationsverfahren eingeleitet. Bei guter Schmerzreduktion wird der Impulsgenerator in einer subkutanen Tasche über dem Pektoralismuskel implantiert.

Risiken

Es bestehen die allgemeinen Risiken einer kleinen Kraniotomie, wie z.B. die Ausbildung eines epiduralen Hämatomes oder epiduralen Infektes. Diese sind als sehr gering einzustufen. Die Auslösung epileptischer Anfälle durch die Stimulation ist abhängig von den gewählten Stimulationsparametern und wird hauptsächlich in der Testphase gelegentlich beschrieben. Als Besonderheit kann es zu schmerzhaften lokalen Empfindungen im stimulierten Bereich der Dura (Innervation über den Nervus Trigeminus!) vorkommen. Dies wurde insbesonders bei Patienten mit lateralen Medullainfarkten beschrieben.
Die Methode ist bei hohem technischem Aufwand, derzeit nur an wenigen spezialisierten Zentren Europa`s durchführbar!

Autorin

Dr. Alexandra Kofler
FÄ für Neurochirurgie
Stv. Ärztliche Direktorin Klinik Innsbruck